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Michael Strugl: „Wir gehen den CO₂-freien Weg, das Tempo erhöht sich”

"Innovation ist einer der wichtigen Treiber für die erneuerbare Energiezukunft“, sagt Michael Strugl, Stv. Vorsitzender des Vorstands bei Verbund.
"Innovation ist einer der wichtigen Treiber für die erneuerbare Energiezukunft“, sagt Michael Strugl, Stv. Vorsitzender des Vorstands bei Verbund.(c) Verbund
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Die Energiewirtschaft hat große Herausforderungen zu meistern. Welcher Rahmen soll dafür geschaffen werden? Wo müssen Innovationen ansetzen? Wie hilft Digitalisierung bei neuartigen Kundenbeziehungen? Ein Interview mit Michael Strugl, CEO-Stellvertreter bei Verbund.

Die Energiebranche ist in Zeiten wie diesen – Stichwort Klimawandel – hoch gefordert. Welche Infrastruktur und Rahmenbedingungen sind vonnöten?

Michael Strugl: Einfach gesagt: Rahmenbedingungen, die die notwendigen Investitionen in den Ausbau erneuerbarer Energien wie Wind, Sonne und auch Wasser rentabel machen. Es braucht ausreichend Speicher und leistungsfähige Netze, also die permanente Weiterentwicklung einer klimafreundlichen Mobilitäts- und Energieinfrastruktur. Wesentlich ist auch die Erhöhung der Energieeffizienz und des Eigenversorgungsgrades, entweder durch die Erzeuger selbst oder durch Gemeinschaften im Bereich erneuerbare Energien. Einen zentralen Baustein bei der Dekarbonisierung des Energie- und Wirtschaftssystems stellt zudem die adäquate Bepreisung von CO₂ dar. Und nicht zuletzt geht es um das Thema Green Finance als Hebel für nachhaltige Projekte, die nicht nur aus öffentlichen, sondern auch aus privaten Geldern finanziert werden müssen. Da benötigt es Lenkungsmaßnahmen und Anreize, um Privatkapital für nachhaltige Investitionen zu mobilisieren.

Wenn Märkte im Umbruch sind, ist von Innovationen als Basis für neue Geschäftsmodelle besonders viel die Rede. Was bedeutet Innovation für Verbund?

Innovation bei Verbund soll neue Geschäftsbereiche erschließen und zur Absicherung bestehender Geschäftsfelder und zu einer langfristigen Steigerung des Unternehmenswerts beitragen: Zentralen Stellenwert hat ein gesamtes Ecosystem für eine datengetriebene Wirtschaft, die Start-ups, Universitäten und Forschungsinstitute miteinschließt. Gemeinsam geht es um ein hohes Maß an Leistungsorientierung und, in Anbetracht der drängenden Herausforderungen, um ein hohes Tempo. Wir arbeiten an innovativen Projekten entlang der gesamten Wertschöpfungskette und konzentrieren uns dabei auf 5 Schwerpunkte: Saubere und sichere Stromerzeugung, grüner Wasserstoff, neue Speicherlösungen sowie digitale Lösungen in der Erzeugung und bei der Energienutzung allgemein.

Welche konkreten Innovationsfelder stehen aktuell bei Verbund im Fokus?

Wir beschäftigen in uns im Rahmen mehrerer Projekte zum Beispiel mit der Erzeugung von grünem Wasserstoff, der in weiterer Folge als Rohstoff für industrielle Prozesse, als Kraftstoff in der Mobilität oder als Speichermedium für Strom aus erneuerbaren Energien eingesetzt werden kann. Aus unserer Sicht ist dieser CO₂-frei hergestellte Wasserstoff ein perfektes Ausgangsprodukt für eine Sektorkopplung, die als Instrument zur Dekarbonisierung dringend erforderlich ist. Ganz oben auf unserer Innovationsagenda stehen auch Forschungsprojekte zum Thema Energiespeicher, dem bei zunehmender Volatilität der Stromerzeugung eine immer größere Bedeutung zukommt. Einen massiven Ausbau von Speicherkapazitäten braucht es aus vielen Gründen: zur Bereitstellung von Flexibilität zur Netzstabilisierung, zur Optimierung des Netzausbaus oder zur kurzfristigen sowie saisonalen Speicherung von Erzeugungsüberschüssen. Die Energiespeicher der Zukunft stehen für eine integrierte Energieversorgung und für die Kopplung der Sektoren. Daran arbeiten wir.

Erneuerbare Energien, grüner Wasserstoff und lokale Batteriespeicher führen auch zum Thema E-Mobilität. Wie wichtig wäre eine emissionsfreie Mobilität?

Der Verkehrssektor ist für 29 % der Treibhausgasemissionen in Österreich verantwortlich. Ein wachsender Anteil elektrisch angetriebener Fahrzeuge auf Österreichs Straßen kann hier gegensteuern und zusätzlich volkswirtschaftliche Impulse setzen. Das Einsparungspotential ist sowohl im Energieverbrauch als auch im Emissionsausstoß erheblich. Selbst wenn alle Autos in Österreich ab sofort elektrisch fahren, bräuchten wir dafür nur etwa 13 Prozent mehr Strom - im Grunde keine große Herausforderung für die Energiewirtschaft.

Zur Person

Michael Strugl, geboren 1963 in Steyr, Oberösterreich, studierte Rechts- und Wirtschaftswissenschaften an der Johannes Kepler Universität Linz und machte Aus- und Weiterbildungen, u. a. im Bereich General Management und International Finance, in Linz, Toronto (Kanada), Atlanta (USA) sowie zuletzt an der Standford University in Kalifornien. Sein beruflicher Werdegang führte ihn in der Politik zum oberösterreichischen Landeshauptmann-Stellvertreter und in der Wirtschaft, seit Jänner 2019, zum Stv. Vorsitzenden des Vorstands der Verbund AG.

Neue Wege geht Verbund auch, was die Beziehungen mit Kunden betrifft. Was verändert sich?

So wie sich die Energiewelt in rasantem Tempo verändert - von analog zu digital, one-flow zu multiflow, zentral zu dezentral und fossil zu dekarbonisiert -, so verändert sich auch der Kunde. Indem er zunehmend selbst Strom erzeugt und am Energiemarkt teilnimmt, wird er zum sogenannten Prosumer. Natürlich stellen wir auch unseren Vertrieb dementsprechend auf: Im Privatkundensegment haben wir aktuell knapp 500.000 Strom- und Gaskunden und halten einen Marktanteil von 8 %. Weiters haben wir eine 50 % Beteiligung an SOLAVOLTA (rund 5000 PV Anlagen kundenseitig) und ein 40 % Anteil an SMATRICS (Infrastruktur und Services für die E-Mobilität). Unser Business-Segment richtet sich an Großkunden, Industrie, Stadtwerke, EVUs und Handel und ist mit rund 20 % Marktanteil bereits Marktführer, mit einem Absatz an Industrie- und Businesskunden in Österreich und Deutschland in der Höhe von 20 Terawattstunden (TWh). Das breite Produktportfolio bietet hohe Flexibilität am Termin-, Spot- und Intraday-Markt.

Was wären konkrete Beispiele für B2B-Kundenanwendungen?

Gerade Photovoltaik bietet viele Möglichkeiten, Kunden am Energiemarkt teilhaben zu lassen, ob als Endverbraucher mit einer PV-Anlage am Hausdach oder als Großkunde: Da bieten wir Planung, Errichtung und Betrieb für PV-Großanlagen, also Eigenverbrauchs-Modelle für die Industrie, die die Stromkosten reduzieren und langfristig planbar machen. Der Verbund Power-Pool bietet die Möglichkeit, Lasten von großen Verbrauchern sowie Kapazitäten von Ökostromanbietern in einem virtuellen Kraftwerk zu bündeln, intelligent zu steuern und optimal zu vermarkten. Eine Win-Win Situation: Für die Teilnehmer des Power Pools entstehen Erlöse und das zunehmend von Volatilität geprägte Stromsystem wird durch die Flexibilität der Marktteilnehmer stabilisiert. Groß- und Handelskunden wie Stadtwerke, große Industrieanlangen oder dezentrale Wind- und PV-Erzeuger servicieren wir mit unseren Automatisierungs- und Dienstleistungsportalen. Ziel ist die Steigerung der Kundenzufriedenheit und die Optimierung der Prozesse für neue Dienstleistungen.

Wie sehen Sie die Entwicklung der nächsten Jahre und Jahrzehnte?

Der Klimawandel ist eine der zentralsten Herausforderungen unserer Generation. Um die notwendigen Emissionsreduktionen zu realisieren, werden substanzielle Kraftanstrengungen auf allen Ebenen notwendig sein. Gleichzeitig eröffnen sich durch die notwendigen massiven Investitionssummen in Low-Carbon-Technologies auch enorme Chancen für Volkswirtschaften und Unternehmen. Für den Standort Österreich müssen jetzt die Weichen für die notwendige Dekarbonisierung gestellt und die Rahmenbedingungen entsprechend adaptiert werden.

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