Gesundheitskasse

Neue Krankenordnung: „Betretungsrecht“ für Kontrollore?

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Symbolbild. (c) Michaela Seidler
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Arbeitgeber werden auch künftig kein Recht haben, Krankenstandskontrollen anzuordnen oder die Diagnose zu erfahren. Brisanz hat aber eine Bestimmung im Entwurf, wonach man den Kontrollor der Gesundheitskasse in die Wohnung lassen muss.

Wien. Kolportierte Pläne für verschärfte Kontrollen bei Krankenständen sorgen seit Tagen für Aufregung. Am Dienstagabend war es dann so weit: Im Überleitungsausschuss für die Österreichische Gesundheitskasse wurden die – vorläufige – neue Krankenordnung und die neue Satzung beschlossen.

Die zwei größten Streitpunkte zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite sind damit zumindest vorerst vom Tisch: Es wird auch künftig kein Recht der Arbeitgeber geben, eine Krankenstandsüberprüfung durch den Sozialversicherungsträger anzuordnen. Ebenso werden die Dienstgeber auch nach den neuen Regeln nicht verlangen können, dass ihnen bei einem Krankenstand die Diagnose mitgeteilt wird. Anzugeben ist aber, wie bisher, ob es sich um einen Arbeitsunfall bzw. eine Berufskrankheit handelt. Das zu wissen, ist für den Arbeitgeber wichtig, denn bei einem längeren Krankenstand hängt davon die Dauer der Entgeltfortzahlung ab.

Brisant ist jedoch eine andere, in der neue Krankenordnung enthaltene Bestimmung: In § 60 geht es um den sogenannten „Krankenbesuchsdienst“ – also im Wesentlichen um das Recht der Gesundheitskasse, Krankenstandskontrollen durchzuführen. Darin heißt es unter anderem, dass der Erkrankte verpflichtet ist, den Kontrollor in die Wohnung zu lassen, damit sich dieser von der Einhaltung der ärztlichen Anordnungen überzeugen kann. Zumindest auf dem Papier bekommen Gesundheitskassen-Kontrollore diesbezüglich sogar mehr Rechte als die Polizei: Diese braucht – abgesehen von Gefahr im Verzug – einen richterlichen Beschluss, um den Zutritt zu einer Wohnung erzwingen zu können.

Im Überleitungsausschuss wurde von der Arbeitnehmerseite ein Abänderungsantrag eingebracht, um diese Regelung aus dem Entwurf zu streichen, dieser fand jedoch keine Mehrheit. Einer verfassungsrechtlichen Überprüfung würde dieses „Betretungsrecht“ freilich kaum standhalten.

Neu ist diese Bestimmung allerdings nicht: „Das ist auch schon in alten Krankenordnungen von Gebietskrankenkassen gestanden“, sagt AK-Experte Wolfgang Panhölzl zur „Presse“. Für die Praxis sei es aber irrelevant gewesen, zumal Kontrollen daheim ohnehin unüblich geworden sind. „Wenn man im Krankenstand kontrolliert wird, wird man zum Chefarzt bestellt.“ Da es nun aber neuerlich beschlossen wurde, „könnte es plötzlich wieder Relevanz bekommen“, befürchtet Panhölzl.

Haftung bei Verlust der e-card

Ein weiterer heikler Punkt betrifft die Haftung des Sozialversicherten bei einem Verlust der e-card. Meldet man den Verlust nicht „unverzüglich“, kann man demnach im Missbrauchsfall z. B. für Honoraraufwendungen und sonstige Schäden zur Kasse gebeten werden. Die neuen Regeln enthalten allerdings auch Verbesserungen für die Versicherten, vor allem eine österreichweite Ausdehnung des Bezugszeitraums für das Krankengeld von 52 auf 78 Wochen (eineinhalb Jahre).

Gelten werden die Beschlüsse jedoch vorerst nur für eine Übergangszeit bis längstens Ende März 2020. Das endgültige Regulativ muss die Hauptversammlung der Gesundheitskasse, die sich am 28. Jänner konstituieren wird, im ersten Quartal 2020 beschließen. Es kann also durchaus noch zu Abänderungen in Satzung und Krankenordnung kommen. Die Diskussionen über die strittigen Punkte – einschließlich des „Betretungsrechts“ – werden somit weitergehen.

Zudem soll auf Antrag der Wirtschaft im ersten Vierteljahr 2020 eine umfassende Analyse „des Krankenstandsgeschehens“ durchgeführt werden. In einer ersten Reaktion begrüßte Wirtschaftsbund-Generalsekretär Kurt Egger die Beschlüsse: „Entgegen der befeuerten Panikmache seitens der Gewerkschaft“ seien „die Leistungsharmonisierung“ sowie die Erarbeitung möglicher Maßnahmen gegen Krankenstandsmissbrauch beschlossen worden. Die diesbezügliche Datenlage sei dürftig, die Kontrolle werde in den Bundesländern unterschiedlich gehandhabt.

Die Arbeitnehmerseite würde indes lieber andere Schwerpunkte setzen. Unter anderem drängt sie darauf, „mehr auf die Qualitätssicherung bei den behandelnden Ärzten zu schauen“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.12.2019)

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