Ziel in der Wiener Innenstadt

Drei Festnahmen: Gab es Pläne für eine Anschlagsserie?

Der Christkindlmarkt am Wiener Stephansplatz soll Ziel eines Anschlagsplan dreier Verdächtiger gewesen sein.
Der Christkindlmarkt am Wiener Stephansplatz soll Ziel eines Anschlagsplan dreier Verdächtiger gewesen sein.APA/GEORG HOCHMUTH
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Eine tschetschenische Gruppe um einen bereits in Hirtenberg einsitzenden IS-Sympathisanten soll zwischen Weihnachten und Neujahr Anschläge in Wien, Salzburg, Deutschland, Frankreich und Luxemburg geplant haben.

Drei gebürtige Tschetschenen sollen zwischen Weihnachten und Neujahr in Wien und weiteren Städten eine ganze Anschlagserie geplant haben. Die treibende Kraft für den angeblich in Wien geplanten Terroranschlag dürfte ein 24-jähriger Tschetschene gewesen sein, der zuletzt in der Justizanstalt Hirtenberg untergebracht war.

Er soll vom Gefängnis aus seinen Ausbruch und anschließend die Terrorserie geplant haben. Dem – behördlich unbestätigten – Ermittlungsstand zufolge war zunächst ein Sprengstoffanschlag in der Wiener Innenstadt geplant, konkret auf den Weihnachtsmarkt auf dem Stephansplatz. Danach hätten Attentate in Salzburg, Deutschland, Frankreich und Luxemburg folgen sollen. Zwei mutmaßliche Komplizen, Tschetschenen im Alter von 25 bzw. 31 Jahren, wurden (wie berichtet) vergangene Woche in U-Haft genommen.

Auf die Spur der drei Männer gebracht haben soll die Strafverfolgungsbehörden ein anonymer Hinweisgeber, der vor allem vor dem in Hirtenberg einsitzenden Häftling gewarnt haben soll, da er auch nach seiner Verurteilung der IS-Ideologie anhänge. Umfangreiche Ermittlungen, Telefonüberwachungen und Observationen erhärteten die Verdachtslage, die zur Festnahme der auf freiem Fuß befindlichen Tschetschenen führte – wegen „Gefahr in Verzug“, hieß es aus Justizkreisen.

Als Haftgründe wurden vom zuständigen Landesgericht Wiener Neustadt bei den bisher unbescholtenen Männern Fluchtgefahr, Verdunkelungsgefahr, Tatbegehungs- sowie Tatausführungsgefahr angenommen. In formaler Hinsicht laufen die Ermittlungen Richtung terroristischer Vereinigung. Die Causa wird als Verschlussakt geführt, sowohl Strafverfolgungsbehörden als auch Innenministerium reagierten auf Anfragen zurückhaltend. Fest stehen dürfte, dass die drei Verdächtigen über ihre Mobiltelefone laufend Kontakt zueinander hatten, obwohl in Justizanstalten ein Handyverbot gilt und eine Kommunikation mit der Außenwelt unmöglich sein sollte. Die mutmaßlichen Komplizen hätten laut aktuellem Ermittlungsstand dem Hauptverdächtigen zunächst beim Ausbruch aus dem Gefängnis helfen sollen. Beim 25-Jährigen wurde ein gefälschter, auf den Namen des 24-Jährigen lautender rumänischer Pass sichergestellt.

Polizei um Beruhigung bemüht

Unklar ist, inwieweit die beiden in die Terror-Pläne des 24-Jährigen eingebunden waren. Die Verteidiger der angeblichen Komplizen, Wolfgang Blaschitz und Florian Kreiner, versicherten, ihre Mandanten hätten mit dem Häftling zwar kommuniziert, „aber keine krummen Dinge geplant“, wie Blaschitz betonte. Er vertritt den 25-Jährigen, der in der Wiener Kampfsport-Szene als durchaus erfolgreicher MMA (Mixed Martial Arts)-Kämpfer bekannt ist. Er ist ebenso wie der 31-Jährige bisher unbescholten, Bekannte aus der MMA-Szene beschrieben den Sportler im Gespräch mit der „Presse“ als „perfekt integriert“. Bei ihm habe Leistungssport an erster Stelle gestanden, er sei ein „normaler Gläubiger“. Anwalt Kreiner beteuert, auch der 31-jährige, ein Familienvater, habe „mit der ganzen Sache nichts zu tun“. Er sei Moslem, „aber nicht radikalisiert“.

Zentrale Figur soll jedenfalls der 24-Jährige sein, und der ist alles andere als ein Unbekannter: Er wurde zwei Mal rechtskräftig wegen terroristischer Vereinigung (§278b StGB) verurteilt. Im Oktober 2015 wurde er in Wien schuldig erkannt, nachdem er sich in Begleitung seiner im Rollstuhl sitzenden Mutter und seiner hochschwangeren Ehefrau in Syrien dem IS anschließen wollte. Die Angeklagten waren in der Türkei aber in eine Polizeikontrolle geraten und nach Österreich zurück geschickt worden. Der junge Mann – seine Frau trat vor Gericht vollverschleiert auf, erst auf sein Nicken hin nahm sie ihren Gesichtsschleier ab – erhielt in seinem ersten Prozess zwei Jahre unbedingte Haft. Nach rund 14 Monaten wurde er vorzeitig bedingt entlassen, obwohl bekannt wurde, dass er im Gefängnis Mitgefangene „missioniert“ hatte.

Kurz nach seiner Entlassung wollte der Tschetschene wieder nach Syrien, er scheiterte erneut und wurde im Oktober 2017 in Korneuburg abermals zu zwei Jahren unbedingt verurteilt. Jetzt wurde der 24-Jährige in ein Hochsicherheitsgefängnis verlegt.

Die Bevölkerung müsse sich, wie ein Polizei-Sprecher der „Presse“ Montag Abend mitteilte, „keine Sorgen“ machen: Das seit Monaten stehende Sicherheitskonzept für Wiens Weihnachtsmärkte wird nicht verändert. Die Gefährdungslage habe sich nicht geändert. Laut Polizei stehen Behörden und Veranstalter in Wien ständig in Kontakt, im Einsatz sind Polizisten in Uniform und in Zivil – ähnlich in Salzburg: Auch dort seien Christkindlmärkte oder Innenstadt, in der Silvester gefeiert wird, mit den bisherigen Maßnahmen gut gesichert.

Gefängnisseelsorger: Deradikalisierungsarbeit verstärken

Ramazan Demir, Ehrenvorsitzender der islamischen Gefängnisseelsorge in Österreich, war acht Jahre lang als Seelsorger tätig und schrieb das Buch „Unter Extremisten: Ein Gefängnisseelsorger blickt in die Seele radikaler Muslime". Er weist auf die enorme Bedeutung von Prävention und Deradikalisierung in Gefängnissen hin. Denn nahezu alle Attentäter in ganz Europa hätten einen Gefängnisaufenthalt hinter sich und seien dort auch (weiter) radikalisiert worden, weil sie ohne Halt bzw. Orientierung und mit einem falschen Religionsverständnis den Islam mit Gewalt gleichgesetzt hätten.

Umso wichtiger sei es, diese Menschen „zu unterstützen und religiös zu bilden" – und zwar in Zusammenarbeit mit den staatlichen Behörden sowie der islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich. Dafür brauche es mehr Kapazitäten, immerhin gebe es rund 2000 muslimische Häftlinge in Österreich.

(k.b./cim/win - "Die Presse" Printausgabe vom 17.12.2019)

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