Ilham Tohti

Sacharow-Preis für Uiguren: "Machen sie nicht stillschweigend mit"

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Der in China inhaftierte Regierungskritiker Ilham Tohti erhält den Menschenrechtspreis des EU-Parlaments. Seine Tochter, die in den USA lebt, nahm die Auszeichnung entgegen.

Die Tochter des inhaftierten chinesisch-uigurischen Wirtschaftswissenschaftlers Ilham Tohti hat den renommierten Sacharow-Preis des EU-Parlaments für ihren Vater entgegen genommen. Sie wolle ihren Vater unterstützen, auch wenn sie nicht wisse, wo er sich derzeit befinde, sagte Jewher Ilham Mittwoch in Straßburg. Sie hielt eine ergreifende Rede und erhielt stehenden Applaus von den Abgeordneten.

Tohti widmete den Preis für ihren Vater stellertretend allen Menschenrechtlern weltweit, die wie ihr Vater eingesperrt sind. "Ich habe 2017 letztmals von ihm gehört", sagte Tohti. Seither werde er an einem unbekannten Ort festgehalten. "Das Volk der Uiguren braucht Sie", sagte Ilham an die EU-Abgeordneten gewandt. Die Mitgliedsländer der Europäischen Union sollten China zur Verantwortung ziehen, forderte sie. "Machen sie nicht stillschweigend mit." Dabei gehe es nicht darum, China zu bekämpfen, sondern Menschenrechte zu schützen, sagte Ilham, die am Rednerpult ein Foto ihres Vaters zeigte. Den Uiguren in Westchina würden die Grundrechte versagt. "Sie werden gezwungen, ihre Religion, ihre Sprache, ihre Kultur aufzugeben."

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Der Sacharow-Preis wird seit 1988 vom Europäischen Parlament an Persönlichkeiten oder Organisationen verliehen, die sich für die Verteidigung der Menschenrechte und der Meinungsfreiheit einsetzen. Tohti hatte zuletzt auch den Vaclav-Havel-Menschenrechtspreis des Europarats erhalten.

Resolution im EU-Parlament

Als er sich auf die Rechte der Uiguren konzentriert habe, sei das nicht mehr gegangen. Zu viel Geld sei in den Schutz seiner Internetseite notwendig geworden. Trotzdem habe er sich für das Leben entschieden, das ihn schlussendlich ins Gefängnis brachte, indem er sich für einen "friedvollen Dialog" zwischen den Volksgruppen eingesetzt habe. Ihr Vater habe konstruktiv mit der chinesischen Regierung zusammenarbeiten wollen.

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Das EU-Parlament will sich am Donnerstag in einer Resolution zur Lage der Uiguren in China positionieren. Der vor fünf Jahren wegen "Separatismus" zu lebenslanger Haft verurteilte Intellektuelle Tohti ist einer der bekanntesten Vertreter der muslimischen Minderheit der Uiguren in China. Der Professor der Minderheiten-Universität (Minzu Daxue) in Peking gilt eigentlich als gemäßigte Stimme. Er war Mitbegründer einer Webseite über Uiguren, die auf Dialog mit Han-Chinesen, der größten Volksgruppe im Land, bedacht war.

Tohti bezahle einen hohen Preis für seinen Kampf, sagte EU-Parlamentspräsident David Sassoli. Er forderte China erneut auf, den 50-Jährigen umgehend aus der Haft zu entlassen. Das Europäische Parlament müsse ein Sprachrohr für die Gedanken- und Meinungsfreiheit sein. Tohtis Kampf habe den Dialog, Mäßigung und die kulturelle Vielfalt in China beleuchtet.

Urteil als Vorläufer für verschärfte Verfolgung des Turkvolkes

Das ungewöhnlich harsche Urteil im September 2014 gegen den Pekinger Wirtschaftsprofessor erscheint heute als Vorläufer der verschärften Verfolgung des Turkvolkes in der Nordwestregion Xinjiang. Nach Schätzungen sollen rund eine Millionen Uiguren in Umerziehungslager gesteckt worden sein, was weltweit Empörung ausgelöst hat.

Investigativjournalisten hatten Ende November ein Licht auf die Lage der Uiguren in Westchina geworfen. Das Konsortium Investigativer Journalisten (ICIJ) enthüllte geheime Dokumente der Kommunistischen Partei Chinas, die zeigen, dass die in Peking als Weiterbildungseinrichtungen bezeichneten Lager streng bewachte Einrichtungen zur Umerziehung sind.

Auch widerlegen sie Aussagen der chinesischen Regierung, wonach der Aufenthalt darin freiwillig sei. Die Unterlagen zeigen zudem, wie Uiguren gezielt überwacht werden und eine große Datenbank alle möglichen Informationen sammelt, um Verdächtige zu ermitteln.

Die jüngsten Enthüllungen beweisen, dass die chinesische Propaganda fortwährend die Wirklichkeit leugnet", sagte Reinhard Bütikofer (Grüne), der der China-Delegation des EU-Parlaments vorsitzt. Es sei nicht hinnehmbar, dass Chinas Führung versuche, kritische Äußerungen im Ausland zu unterbinden und damit seine Zensur exportiere.

(APA/AFP)

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