Kirgisistan: Machte Armee Jagd auf Usbeken?

Kirgisistan Situation Fluechtlinge dramatisch
Kirgisistan Situation Fluechtlinge dramatischFlüchtlinge an der Grenze zu Usbekistan (c) Reuters (Shamil Zhumatov)
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Während sich die Lage in Süd-Kirgisistan etwas beruhigt, verdichten sich Hinweise, dass Soldaten in die Progrome gegen die usbekische Minderheit verwickelt sind. Die Lage der Flüchtlinge bleibt ernst.

"Wir dachten, sie kommen, um uns zu schützen. Aber stattdessen waren sie gekommen, um uns zu töten." So wie der 48-Jährige Avaz Abdukadyrov berichten immer mehr Augenzeugen davon, dass sich Soldaten der kirgisischen Armee in den vergangenen Tagen aktiv an den Pogromen gegen die usbekische Minderheit im Süden des Landes beteiligten.

Bei den ethnischen Zusammenstößen starben im Laufe der vergangenen Woche laut offiziellen Angaben fast 200 Menschen. Das Rote Kreuz spricht hingegen von hunderten Opfern und einer "humanitären Krise".

"Wir werden euch töten, das ist euer Ende"

Augenzeugen erzählten der "New York Times" von Uniformierten, die in einem usbekisch dominierten Viertel der Stadt Osch von einem gepanzerten Fahrzeug sprangen und mit automatischen Waffen das Feuer auf Zivilisten eröffneten. "Usbeken, wir werden euch töten, das ist euer Ende", hätten die Soldaten gerufen, erinnert sich ein junger Mann mit Schaudern. Als Usbeken aus ihren brennenen Häusern flüchteten, hätten die Soldaten auf der Straße gelacht und getanzt, sagt Abukadyrov.

Die realen Machtverhältnisse in Kirgisistan sind äußerst unübersichtlich. Es ist sehr fraglich, ob die Regierung überhaupt die Kontrolle über alle Teile der Armee hat.

Grenze zu Usbekistan bleibt dicht

Eine Woche nach Beginn der Unruhen hat sich die Lage nach Angaben der Regierung immerhin etwas beruhigt. Trotz vereinzelter Schusswechsel in einigen Regionen im Süden stabilisiere sich die Situation in Osch, sagte der Vizechef der Übergangsregierung. Allerdings sei die Lage an der Grenze zu Usbekistan mit Zehntausenden Menschen in Flüchtlingslagern weiter besorgniserregend.

Usbekistan hat seine Grenze geschlossen, weil die Kapazitäten wegen der Aufnahme von bisher 75.000 Angehörigen der usbekischen Minderheit nach Regierungsangaben erschöpft sind. Helfer berichten, dass auf kirgisischer Seite noch Zehntausende Menschen auf Zuflucht in Usbekistan hoffen. Internationale Hilfsorganisationen haben mit der Lieferung von Lebensmitteln und Medikamenten in die Region begonnen.

Provokateure festgenommen

Nach Darstellung der Übergangsregierung in Bischkek strecken immer mehr Menschen im Süden die Waffen. Eine Untersuchungskommission solle die Straßenschlachten, Morde und Pogrome der vergangenen Tage aufarbeiten, sagte Beknasarow.

Krise in Kirgisistan

Zahlreiche Provokateure seien festgenommen worden, unter ihnen auch mehrere Heckenschützen. Sie stehen im Verdacht, im Auftrag der Familie des Anfang April gestürzten Präsidenten Kurmanbek Bakijew die Krawalle angezettelt zu haben. Ihr Ziel sei die Destabilisierung der Lage im Land gewesen.


Ende vergangener Woche hatten sich im zentralasiatischen Kirgisistan langfristige Konflikte zwischen Kirgisistan und Angehörigen der usbekischstämmigen Minderheit in blutigen Auseinandersetzungen entladen.

Bei den Unruhen im Süden der ehemaligen Sowjetrepublik wurden nach Einschätzung des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz "mehrere hundert" Menschen getötet. Die offiziellen Zahlen gehen von rund 200 Toten aus.

(Ag./Red.)

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