Militäreinsatz

Türkei gibt grünes Licht für Truppenentsendung nach Libyen

Turkish President Erdogan speaks during a symposium in Ankara
Turkish President Erdogan speaks during a symposium in Ankaravia REUTERS
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Die Abgeordneten des türkischen Parlaments stimmten für den Antrag der Regierung von Erdogan, Truppen nach Libyien zu schicken.

Das türkische Parlament hat Grünes Licht für eine mögliche Militärintervention im Bürgerkriegsland Libyen gegeben. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan erhielt am Donnerstag für ein Jahr das Mandat, türkische Soldaten nach Libyen zu schicken. Er will damit die international anerkannte Regierung unter Ministerpräsident Fayez al-Sarraj in Tripolis stützen.

Die liefert sich einen Machtkampf mit dem einflussreichen General Khalifa Haftar. Nach insgesamt drei Einmärschen in Syrien begibt sich die Türkei damit voraussichtlich auf ihr nächstes außenpolitisches Abenteuer. Der Türkei geht es dabei um Einfluss in der Region, aber auch um Erdgasvorkommen im Mittelmeer.

325 Abgeordnete stimmten in Ankara für eine Entsendung von Truppen, 184 dagegen. Eine Zustimmung war erwartet worden, da Erdogans Regierungsallianz im Parlament eine Mehrheit hat. Vize-Präsident Fuat Oktay schrieb auf Twitter: "Ich hoffe, dass mit der Annahme des Mandats diejenigen, die ihre aggressive Haltung in Libyen beibehalten, die notwendige Botschaft erhalten."

Indessen hat US-Präsident Donald Trump den türkischen Staatschef or einem militärischen Eingreifen in Libyen gewarnt. In einem Telefonat mit Erdogan sagte Trump am Donnerstag nach Angaben des Weißen Hauses, eine "ausländische Einmischung" verkompliziere die Situation in dem nordafrikanischen Krisenstaat.

Opposition und Ägypten kritisieren Entscheidung

Ein Großteil der Opposition kritisierte das Vorhaben ebenso scharf. Der stellvertretende Parteivorsitzende der größten Oppositionspartei CHP, Ünal Ceviköz, nannte das Vorhaben unsinnig und gefährlich.

Auch Ägypten, ein Unterstützer Haftars, verurteilte die Entscheidung "aufs Schärfste". Die Türkei verstoße damit unter anderem gegen das von den Vereinten Nationen verhängte Waffenembargo.

In Libyen herrscht seit dem Sturz von Langzeitherrscher Muammar al-Gaddafi 2011 Bürgerkriegschaos. Haftar kontrolliert mit seiner selbst ernannten Libyschen Nationalarmee ( LNA ) Gebiete im Osten des Landes, will aber die Macht über das ganze Land. Im vergangenen Jahr begann er einen Angriff auf Tripolis, wo die Sarraj-Regierung sitzt. Diese wird von lokalen Milizen unterstützt, konnte ihre Macht aber bisher kaum über die Hauptstadt hinaus ausbauen.

Zahlreiche internationale Mächte sind in dem Konflikt verstrickt. Die Regierung in Tripolis wird von der Türkei, Katar und Italien unterstützt, General Haftar von Russland, Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). Zudem gibt es Vorwürfe gegen Frankreich, Haftar zu unterstützen.

Einladung für Türkei

Wie in Syrien unterstützen damit die Türkei und Russland unterschiedliche Parteien. Kremlchef Wladimir Putin wird am kommenden Mittwoch in Istanbul erwartet, und die Themen Libyen und Syrien werden sicher hoch oben auf der Agenda stehen. Mit US-Präsident Donald Trump besprach Erdogan die Situation in den beiden Bürgerkriegsländern am Donnerstag am Telefon. Das türkische Kommunikationsministerium teilte mit, die beiden hätten sich auch darauf verständigt, ihre Zusammenarbeit zu verstärken.

Erdogan hatte in der vergangenen Woche gesagt, er handle in Libyen auf Einladung Al-Sarraj, dieser habe ihn um eine Entsendung von Truppen gebeten. Mit der Zustimmung des Parlaments ist der Präsident nun berechtigt, über "Grenze, Ausmaß, Menge und den Zeitpunkt" der Entsendung zu entscheiden, "um militärische Operationen und Interventionen durchzuführen, falls nötig".

Ob Erdogan die Erlaubnis sofort in Anspruch nehmen wird, ist unklar. Der Konflikt wird nach Ansicht von Experten auf beiden Seiten schon jetzt auch mit Hilfe ausländischer Söldner ausgetragen. Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte sollen sich bereits rund 300 von der Türkei unterstütze syrische Milizionäre in Libyen aufhalten. Die türkische Regierung hat sich bisher nicht zu dem Vorwurf geäußert.

Einen möglichen Militäreinsatz in Libyen begründet die Regierung vor dem Parlament unter anderem mit den Interessen der Türkei im Mittelmeerraum und Nordafrika. Diese würden durch die verschlechterte Lage in Libyen bedroht, so die Argumentation.

Tatsächlich ist Erdogan daran gelegen, Sarraj an der Macht zu halten. Im Streit um Erdgasvorkommen im Mittelmeer fühlt sich die Türkei von anderen Anrainerstaaten wie Griechenland ausgeschlossen und schmiedet deshalb eigene Allianzen. Im November hatten Sarraj und Erdogan Abkommen unterzeichnet, die neben einer militärischen Kooperation auch Seegrenzen im Mittelmeer festlegen. Damit erhebt die Türkei Anspruch auf Gebiete nahe der griechischen Insel Kreta, wo reiche Erdgasvorkommen vermutet werden.

In seiner Neujahrsansprache sagte Erdogan, mit den Vereinbarungen seien "Projekte, die darauf abzielten, die Türkei vollständig aus dem Mittelmeerraum auszuschließen", vereitelt worden. Der Präsident hatte vergangene Woche zudem betont, dass Teile des heutigen Libyens unter Osmanischer Herrschaft waren und sprach von einer historischen Verbundenheit zu den "Brüdern" in Libyen.

Der stellvertretende CHP-Fraktionsvorsitzende Özgür Özel warf der Regierung vor, nationalistische Rhetorik zu bemühen, statt eine überzeugende Begründung für die Entsendung von Truppen vorzulegen.

(APA/AFP)

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