Schuleinschreibung

Umstrittene App soll (später) über die Schulreife entscheiden

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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An zehn Prozent der Volksschulen werden die kognitiven Fähigkeiten der Fünfjährigen schon jetzt via App getestet. Verpflichtend sollte das ab 2021 werden. Nach Kritik denkt das Bildungsministerium nun über eine Verschiebung nach.

Wien. In den Schulen läuft derzeit die Einschreibung der Taferlklassler. An so manchem Standort sieht das heuer etwas anders aus. Hier balancieren die Kindergartenkinder nicht mehr nur über Seile und sortieren Kugeln nach Farben. Hier sitzen die Kinder nun auch vor einem Tablet und lösen Aufgaben, die ihnen die Koboldin Poldi in einer Art Computerspiel stellt. Anhand dieser Überprüfung via App wird eine Empfehlung über die Schulreife der Kinder abgegeben. Das sorgt für Kritik.

Durch den Einsatz der App soll die Schuleinschreibung nach einheitlichen Kriterien erfolgen. Entwickelt wurde sie an den Unis Wien und Graz. Am Tablet soll künftig überprüft werden, ob die Kindergartenkinder schon mit Sprachlauten umgehen können, ein altersgemäßes Verständnis von Mengen und ein basales Wissen über Zahlen und Schrift haben.

„Ich habe jetzt 35 Jahre Erfahrung, und ich kann mir nicht vorstellen, dass die Kinder das wirklich schaffen“, sagt Andrea Holzinger, Direktorin der Volksschule Johann-Holzinger-Platz, gegenüber dem ORF. Der Test dauere zu lang, sei für die Kinder demotivierend und baue Druck auf. Die Gewerkschaft sieht das ähnlich. Die Überprüfung sei „weit weg von der Realität“, wie etwa die Wiener Fraktion christlicher Gewerkschafter auf Facebook schreibt.

Das Bildungsministerium reagiert nun darauf. Der ursprünglich ab Jänner 2021 geplante verpflichtende Einsatz könnte verschoben werden. „Wir wollen nichts übers Knie brechen“, sagt Martin Netzer, der nun (wie schon unter Türkis-Blau) wieder Generalsekretär im Bildungsministerium ist. Zu Verzögerungen komme es, wie er sagt, wegen der Übergangsregierung. Nun wolle man aus der laufenden Pilotphase lernen. Die App solle eine gute Lösung für Schulleiter, Lehrer, Eltern und Kinder sein.

„Keine Mini-Zentralmatura“

Derzeit wird die App an circa zehn Prozent der Volksschulen eingesetzt. Eine wissenschaftliche Begleitung wird an 26 Schulen durchgeführt. Der Einsatz der App solle, sagt Netzer zur „Presse“, jedenfalls „kein Bedrohungsszenario“ und „keine Mini-Zentralmatura“ sein.

Eine Gemeinsamkeit zwischen der Einführung der Zentralmatura und jener der Schuleinschreibe-App gibt es aber tatsächlich: Mit beiden Maßnahmen soll im Schulsystem für mehr Einheitlichkeit gesorgt werden. Sowohl die Matura als auch die Schuleinschreibung wurden in der Vergangenheit von Standort zu Standort sehr unterschiedlich gehandhabt. So kam es zu großen Unterschieden. Während etwa in der Steiermark zuletzt nur ein Prozent der Kinder für nicht schulreif erklärt wurden, waren es in Vorarlberg 20 und in Salzburg gar 24 Prozent. Diese Kinder müssen eine Vorschulklasse besuchen oder werden in der ersten Klasse Volksschule nach dem Vorschullehrplan unterrichtet. Deshalb wurden einheitliche Kriterien entwickelt.

Die App testet jedenfalls nur die kognitiven Fähigkeiten der Kinder. Die motorische, emotionale und soziale Eignung überprüfen weiterhin die Direktoren. Sie haben, wie im Ministerium erwähnt wird, auch die Letztentscheidung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.01.2020)

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