Die Berliner Pläne für einen Frieden in Libyen

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Bei der Friedenskonferenz am Sonntag soll die Entwaffnung von Milizen, ein Waffenembargo und die Verheinheitlichung der libyschen Sicherheitskräfte beschlossen werden. An einer EU-Mission wird noch gefeilt.

Ein andauernder Waffenstillstand in Libyen, den eine „zivile“ EU-Mission garantieren soll - und später erst die Entsendung von Militärs ins Bürgerkriegsland. Die Soldaten sollen die Milizen des Bürgerkriegslandes entwaffnen und ein Waffenembargo überwachen, um so den Weg zu einer Regierung der Nationalen Einheit zu ermöglichen: Diese ehrgeizigen Pläne setzt sich offenbar die Berliner Friedenskonferenz am Sonntag. Verankert sind sie auch im ersten Entwurf der Schlusserklärung der  Friedenskonferenz, der italienischen Medien vorliegt

In Berlin steigt also der Optimismus, dass es Fortschritte in den verfahrenen Verhandlungen um eine baldige Lösung des Konfliktes in Libyen gibt. Die Liste der Teilnehmer der Konferenz am Sonntag, die unter Ägide der UNO stattfindet, ist dementsprechend hochrangig: Zugesagt haben bereits Russlands Präsident Wladimir Putin, der türkische Staatschef Recip Erdogan sowie hochrangige Vertreter aus EU, Ägypten, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE).

Auch die beiden libyschen Konfliktparteien wurden eingeladen. Der abtrünnige General Khailifa Haftar hat nach Angaben des deutschen Außenministers Heiko Maas seine Teilnahme in Aussicht gestellt - und versprochen, die Feuerpause zu respektieren.

Einheitlicher Sicherheitsapparat, neue Regierung

Im (provisorischen) Entwurf der Schlusserklärungen, den die auf Nahost spezialisierte italienische Nachrichtenagentur „Agenzia Nova“ veröffentlicht hat, wird festgehalten, dass die Milizen vor Ort aufgelöst und in Libyen ein einheitlicher Sicherheitsapparat entstehen soll. Derzeit bekämpfen sich die Soldaten von General Haftar und Milizen, die von dem international anerkannten Premier Fayiz al-Serraj kontrolliert werden.

Unterstrichen wird in dem Entwurf zudem, dass die internationale Einmischung beschränkt werden muss, um die „nationale Integrität Libyens“ zu garantieren. Dies ist ein klarer Wink in Richtung Türkei und Russland, die ihren Einfluss in der Region massiv ausbauen und im seit Jahren tobenden Bürgerkrieg immer aktiver mitmischen.

Zum Hintergrund: General Haftar kontrolliert weite Teile des Landes und kämpft mit Verbündeten gegen die international weitgehend anerkannte Regierung unter Ministerpräsident Fayez al-Sarraj. Dessen Regierung beherrscht nur kleine Gebiete rund um die Hauptstadt Tripolis. Die Türkei unterstützt die Regierung von Sarraj auch militärisch. Russland hingegen stärkt - ebenso wie Ägypten, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) - General Haftar.

Ziel der von Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel initiierten Friedensinitiative ist es, diese internen und internationalen Differenzen zu überbrücken. Gewünscht wird die Entstehung einer „neuen Regierung der nationalen Einheit, die die Kontrolle über das gesamte Territorium ausübt.“

Doch ganz so einfach dürften sich die ehrgeizigen deutschen Pläne nicht umsetzen lassen. Hinter den Kulissen bleiben die Differenzen groß. Darauf deutet auch hin, dass zentrale Details der Friedensinitiative offenbar noch gar nicht geklärt wurden: Wie genau die internationale Mission aussehen soll, die die Einhaltung des Waffenstillstandes garantiert und den politischen Friedensprozess begleitet, bleibt etwa weiterhin offen.

Borrell will am Montag zwei Optionen vorschlagen

Der EU-Außenbeauftragte, Josep Borrell, hatte bei einem EU-Außenministertreffen vergangene Woche eine EU-Intervention in Aussicht gestellt. Borrell will jedenfalls schon am Montag, also einen Tag nach der Berliner Konferenz, Details zu seinen Plänen vorstellen. Vorbereitet hat er offenbar zwei Optionen:

Eine Möglichkeit ist eine EU-„Zivilmission“ für Libyen, die bereits in den nächsten Wochen ins Bürgerkriegsland geschickt werden würde. Vorbild ist der EU-Einsatz in Georgien von 2008. Die Aufgabe der EU-Vertreter wäre es, den Waffenstillstand zu überwachen. Für eine solche EU-Mission bräuchte man allerdings ein internationales Mandat  - und das grüne Licht der libyschen Machthaber.

Eine zweite Option ist ein Militärmission unter UN-Ägide, Vorbild könnte die UN-Mission im Libanon (Unifil) sein. Die Umsetzung des Militäreinsatzes ist komplizierter: Notwendig wäre das grüne Licht des UN-Sicherheitsrates sowie der nationalen Parlamente der meisten Teilnehmerstaaten. Im Gegensatz zur ersten Option, sollen auch nicht-europäische Staaten (möglicherweise aus Asien und Afrika) teilnehmen. Vorgesehen ist eine rotierende Führung des Einsatzes. Diese Mission würde auch den Aufbau einer neuen libyschen Armee unterstützen.

Kommt Mission Sofia ins Mittelmeer zurück?

Derzeit wird offenbar erwägt, Borells beide Optionen zu kombinieren: Erst soll eine zivile EU-Mission ins Bürgerkriegskand geschickt werden - und das so bald wie möglich. Folgen soll dann der unter UN-Fahne stehen Militäreinsatz.

Geplant ist in der „zweiten Phase“ nicht nur die Entsendung von Bodentruppen, sondern auch der Marine und von der Luftwaffe. Möglich ist, dass die EU-Mission Sophia wieder aktiviert wird, die bis vor wenigen Jahren das Mittelmeer patrouillierte. Rom pocht allerdings auf eine völlig neue EU-Mission mit einem neuen Mandat: Italiens Regierung will verhindern, dass gerettete Migranten automatisch nach Italien gebracht werden.

Griechenland will alle EU-Beschlüsse blockieren

Überhaupt scheint unter den EU-Staaten alles andere als Eintracht zu herrschen, was den Libyen-Einsatz angeht: Die griechische Regierung will alle Beschlüsse der EU zu Libyen blockieren, solange Tripolis ein umstrittenes Abkommen mit der Türkei zu Seegrenzen im Mittelmeer nicht für nichtig erklärt. In dieser vor wenigen Wochen getroffenen Übereinkunft teilen sich Tripolis und Ankara ihre Einfluss- und Interessenszonen im Mittelmeer auf. Griechenland erachtet dies als Verstoß gegen internationales Recht.

"Es gibt ein Veto zu jeder Art von Übereinkunft zwischen der EU und Libyen, solange Tripolis nicht sein Abkommen mit der Türkei annulliert", sagte der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis-

Denn von dem Abkommen betroffen wäre unter anderem eine Region südlich der griechischen Insel Kreta in der sogenannten Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) Griechenlands, wo reiche Rohstoffvorkommen vermutet werden.  Erdogan hatte angekündigt, noch in diesem Jahr mit Erkundungen in der betreffenden Mittelmeerzone zu beginnen.

Ein ähnlicher Konflikt besteht bereits mit Zypern. Vor der Mittelmeerinsel sind türkische Schiffe für Probebohrungen schon seit 2019 unterwegs. Die EU-Staaten hatten deshalb einen rechtlichen Rahmen für Sanktionen gegen die Türkei geschaffen. Ankara weist den Vorwurf, die Bohrungen seien illegal, zurück. Der betroffene Meeresboden gehöre zu ihrem Festlandsockel, argumentiert die Türkei.

Griechenland hat sich empört gezeigt, angesichts der konfliktreichen Gemengelage nicht zur Libyen-Konferenz am Sonntag in Berlin eingeladen worden zu sein.

UNHCR skeptisch über EU-Erfolgsaussichten

Der UNHCR-Sonderbeauftragte Cochetel zeigt sich indes pessimistisch. Er hält die Chancen der europäischen Staaten, in dem Konflikt etwas bewirken zu können, für gering. "Hier in Europa überschätzen wir den Einfluss Europas auf Libyen", sagte er. "Und die Frage von Migranten oder Flüchtlingen in Libyen stand für die libyschen Behörden nie oben auf der Liste, auf keiner Seite, weder bei der offiziellen Regierung noch bei der anderen. Ich denke, dass ihnen diese Frage am Ende egal ist."

Ganz anders klingt freilich der Präsident des Europaparlaments, David Sassoli: Er wertete die Teilnahme von Sarraj und Haftar an der Berliner Konferenz als Erfolg für die europäische Diplomatie. "Sie zeigt, dass die Union, wenn sie geschlossen und klar auftritt, auf internationaler Ebene Gehör finden kann", sagte er.

(basta/Reuters)

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