Brigitta Kettl mit ihrer Mutter.
Pflege

Pflege in der Familie: Helfen bis zur Aufopferung?

Brigitta Kettl pflegt ihre kranke Mutter – so wie viele in Österreich. Doch der Grat zwischen Pflege und Aufopferung ist schmal. Und Brigitta Kettl sagt schon längst: „Ich bin heillos überlastet.“

„Ich schaffe es nicht mehr. Nicht mehr alle Tage. Ich verschiebe täglich meine eigenen Bedürfnisse.“ Die Sätze brechen richtig aus Brigitta Kettl heraus, als sie das erste Mal am Telefon von ihrer Situation erzählt. „Alles, was ich sage, wird als Kritik aufgefasst.“ Sie nennt ihr Leben „meine traurige Geschichte“. Und doch sagt sie, dass man auch mit ihrer Mutter sprechen müsse. Das sei wichtig. Weil diese „in so einer anderen Welt“ lebe. Weil diese so super aussehe und auch körperlich so fit sei. Weil Außenstehende oft nicht verstehen, was sich hinter den Türen der kleinen Wohnung der Mutter im 22. Bezirk abspielt. Dort, wo so viele von Hand bestickte Bilder an der Wand hängen, das Strickzeug am Tisch liegt und der Fernseher meist im Hintergrund läuft. Brigitta Kettl wird viel weinen, wenn sie spricht.

Sie sitzt an diesem Tag im Restaurant Brigittenauer Stadl, die langen braunen Haare hängen über die Schulter, die kleinen Augen blicken müde hinter den großen Brillen hervor.

Brigitta Kettl pflegt ihre 95-jährige Mutter. Sie ist damit eine von mindestens 331.000 pflegenden Angehörigen, die es laut Sozialministerium gibt. (Sozialminister Rudolf Anschober spricht sogar von 950.000 pflegenden Angehörigen in einer Aussendung.) Der Großteil von ihnen, nämlich rund 73 Prozent, ist weiblich. Es sind Frauen und Männer, die im Schnitt 63 Jahre alt sind, die oft nicht beschäftigt sind, weil sie in Pension oder daheim sind. Sie sind Ehepartner (18 Prozent), Töchter (25 Prozent), Söhne (19 Prozent), Schwiegertöchter (acht Prozent) oder andere Angehörige. Ihre Geschichten sollte man im Kopf haben, wenn die neue türkis-grüne Regierung davon berichtet, pflegende Angehörige zu stärken und die häusliche Pflege mit einem „Pflege-Daheim-Bonus“ von bis zu 1500 Euro attraktiver zu machen.

Geld nennt Brigitta Kettl nicht, wenn man sie fragt, was sie brauchen würde. „Ein Coaching“ oder jemanden, der ihr „beisteht“ in der täglichen Arbeit mit der Mutter. Jemand, der auch wissen will, wie es ihr geht.

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