Regierungskritische Demonstrationen

Fast 400 Verletzte bei Protesten im Libanon

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Die Wut der Bevölkerung über die langsame Regierungsbildung wächst. Mehr als zwei Monate nach dem Rücktritt von Ex-Premier Hariri gibt es noch kein neues Kabinett.

Bei gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften in Beirut sind am Samstag fast 400 Menschen verletzt worden. Wie am Sonntag aus Zahlen des libanesischen Roten Kreuzes und der Zivilschutzbehörde hervorging, mussten mindestens 377 Menschen medizinisch versorgt werden. Es handelte sich damit um den gewalttätigsten Tag seit Beginn der Proteste vor drei Monaten.

Der Libanon wird seit Mitte Oktober von beispiellosen Protesten gegen Korruption und Misswirtschaft erschüttert. Die Wut der Bevölkerung hat in den vergangenen Wochen noch zugenommen, weil sich ihre wirtschaftliche Lage weiter verschlechtert und es mehr als zwei Monate nach dem Rücktritt von Ex-Ministerpräsident Saad Hariri noch immer keine neue Regierung gibt.

Die Zusammenstöße am Samstag begannen, als einige Dutzend Demonstranten Mitglieder der Bereitschaftspolizei angriffen, die sich hinter Absperrungen und Stacheldraht vor dem Parlament postiert hatten. Die Demonstranten, einige von ihnen vermummt, bewarfen die Sicherheitskräfte mit Steinen, Blumentöpfen, Straßenschildern und anderen Gegenständen. Andere Demonstranten versuchten, eine Polizeiabsperrung vor dem Regierungssitz zu durchbrechen.

Human Rights Watch kritisiert „brutale Polizeigewalt"

Die Polizei ging mit Wasserwerfern und Tränengas gegen die Angreifer vor. Wie ein AFP-Reporter berichtete, feuerten die Sicherheitskräfte auch Gummigeschoße ab. In vornehmen Straßen der Beiruter Innenstadt hingen dicke Rauch- und Tränengasschwaden in der Luft, immer wieder waren die Sirenen von Rettungswagen zu hören.

Human Rights Watch sprach von "brutaler" Polizeigewalt gegen "größtenteils friedliche Demonstranten". Der stellvertretende Leiter der Nahost-Abteilung der Menschenrechtsorganisation, Michael Page, sagte, die Polizisten hätten Tränengas- und Gummigeschoße auf Kopf- und Augenhöhe der Demonstranten abgefeuert und auch "Menschen in Krankenhäusern und Moscheen angegriffen".

Laut der staatlichen Nachrichtenagentur ANI wurden rund 30 Menschen vorübergehend festgenommen. Hariri, der Ende Oktober unter dem Druck der Proteste zurückgetreten war, sprach von "verdächtigen und verrückten" Vorgängen in Beirut und machte "Eindringlinge" für die Gewalt verantwortlich. Aktivisten riefen für Sonntag zu neuen Protesten auf.

Hariris designierter Nachfolger Hassan Diab hat es bisher nicht geschafft, ein Kabinett zu bilden. Regierungsbildungen im Libanon dauern wegen des komplexen politischen Systems oft monatelang.

(APA/AFP)

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