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Schiedsgericht: SPD darf Thilo Sarrazin aus Partei werfen

Clemens Fabry
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Der umstrittene Autor war im März 2019 bei einem Diskussionsabend der Freiheitlichen Akademie in Wien aufgetreten, um sein Buch „Feindliche Übernahme“ vorzustellen. Die Wiener FPÖ bietet ihm die Ehrenmitgliedschaft an.

Im Ausschlussverfahren gegen den früheren Berliner Finanzsenator und umstrittenen Bestseller-Autor Thilo Sarrazin hat die SPD einen erneuten Erfolg errungen. Nach Angaben der Anwälte Sarrazins vom Donnerstag entschied die Berliner Landesschiedskommission in einem Berufungsverfahren, dass die Partei Sarrazin ausschließen darf. Sarrazin werde nun Berufung bei der SPD-Bundesschiedskommission einlegen. Die Wiener FPÖ bot Sarrazin noch am Mittwoch die Ehrenmitgliedschaft an.

Zuvor hatte die APA bereits am Vormittag aus Parteikreisen erfahren, dass Sarrazin aus der Partei ausgeschlossen wird. Besondere Bedeutung für die Entscheidung hatte demnach Sarrazins jüngstes Buch "Feindliche Übernahme" sowie der Auftritt des bisherigen SPD-Mitglieds auf einer Veranstaltung der FPÖ im Europawahlkampf gespielt. Sarrazin hatte im März 2019 im Rahmen einer Veranstaltung in den Sofiensälen in Wien mit EU-Spitzenkandidat Harald Vilimsky und dem damaligen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sein Buch "Feindliche Übernahme" präsentiert und den Islam als eine politische Ordnung bezeichnet, "die Meinungsfreiheit und Demokratie behindert".

Sarrazin selbst hatte angekündigt, notfalls alle Instanzen bis hin zum Bundesverfassungsgericht zu bemühen, um seinen Rauswurf zu verhindern. Das kann Jahre dauern. Bis dahin bleibt er SPD-Mitglied.

Sarrazin: „Es geht darum, Besinnung zu bestrafen“

Nun warf Sarrazin SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil vor, er habe in einer mündlichen Berufungsverhandlung Mitte Jänner keine Zitate vorlegen können, "um den gegen mich erhobenen Vorwurf des Rassismus zu belegen". Sarrazin: "Es ging ganz offenbar nicht darum, Wahrheit zu ermitteln, sondern Gesinnung zu bestrafen."

Die SPD-Spitze hatte 2009/10 und 2011 schon zweimal vergeblich den Ausschluss Sarrazins betrieben. Für die SPD ging es um die Frage, ob Sarrazin mit seinen Thesen zur Einwanderung und zum Islam parteischädigend ist. Er ist vor allem wegen migrationskritischer Äußerungen in seinen Büchern umstritten. Sein letztes Buch "Feindliche Übernahme. Wie der Islam den Fortschritt behindert und die Gesellschaft bedroht" schrieb er über den Islam.

In erster Instanz hatte die Schiedskommission des SPD-Kreisverbandes Charlottenburg-Wilmersdorf, in dem Sarrazin Mitglied ist, im Juli 2019 den Parteiausschluss beschlossen. Damals hieß es zur Begründung, seine Thesen seien rassistisch und hätten der Partei schweren Schaden zugefügt. Sarrazin wies das zurück und legte Berufung ein.

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Der 74-Jährige argumentierte Anfang Jänner, er habe "wissenschaftliche Sachbücher geschrieben". Niemand aus der SPD-Führung habe belegen können, was daran sachlich falsch sei. "Ich lasse mir meinen Ruf als Sachbuchautor nicht kaputtmachen."

Sarrazins Bücher erreichten Millionenauflagen. Gleichzeitig wurde er heftig kritisiert, weil er schon 2009 mit Blick auf muslimische Zuwanderer von Menschen sprach, "die ständig neue Kopftuchmädchen produzieren". 2018 schrieb er, die "religiös gefärbte kulturelle Andersartigkeit der Mehrheit der Muslime" und deren steigende Geburtenzahlen gefährdeten die offene Gesellschaft, Demokratie und den Wohlstand hierzulande. Integration sei kaum möglich. Das SPD-Kreisgericht hatte das als "klar rassistisch" gewertet.

(APA/dpa)

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