Mexiko

Maya-Kult in Yucatan: Der Bienengott ist manchmal böse

Coba, Ruinenstätte der Maya im mexikanischen Bundesstaat Quintana Roo.
Coba, Ruinenstätte der Maya im mexikanischen Bundesstaat Quintana Roo. (c) imago images/Reichwein (Christoph Reichwein (crei) via www.imago-images.de)
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Ruinen imposanter Tempelstädte künden in Yucatn von der einzigartigen Kultur der alten Mayas. Ebenso erhalten blieb ihr süßes Heiligtum: der Honig. Warum er noch heute angebetet wird.

Luís Fernández ist ein aufmerksamer Fahrer. „Ein wilder Truthahn“, kommentiert der 24-Jährige und bremst das Lastendreirad, auf dessen Schutzblech „Taxi“ steht, und schiebt die Sonnenbrille in sein rabenschwarzes Haar. Der junge Maya in Jeans und Sportshirt hat gemerkt, dass sich sein Fahrgast für den gar nicht scheuen Waldbewohner interessiert. Der große Hühnervogel mit gold-grün-blau metallisch glänzendem Gefieder und nacktem, blauem Hals schaut kurz in die Kamera und verschwindet wieder zwischen den gefleckten Stämmen hoher, alter Chacas. Viele dieser Gummibäume wachsen in den Trockenwäldern Yucatáns. Wie ungeschützte Haut nach einem starken Sonnenbrand blättert ihre Borke ab. „Wir nennen sie Touristenbäume“, verrät Luís und grinst.

Cobá, Maya-Metropole

Jetzt am Morgen ist es weder heiß noch voll in der Ruinenstadt Cobá. Bevor die Hitze und die Ausflugsbusse von den großen Küstenorten kommen, teilt man die alte Mayametropole nur mit wenigen Besuchern. Merkwürdig eigentlich, dass man Plätze wie diese am liebsten allein für sich haben und still genießen möchte – selbst, wenn es sich wie in diesem Fall um die Überbleibsel einer Großstadt handelt. Die 50.000 Menschen, die einst hier lebten, machten sicher mehr Lärm als die Touristen heute. Das war zwischen 600 und 900 nach Christus – in einer Zeit, als die meisten Städte in Europa noch gar nicht existierten. Als die Spanier 1519 kamen, um Yucatán für drei Jahrhunderte zu kolonialisieren, war Cobá bereits verlassen und vom Dschungel überwachsen. Erst Ende des 19. Jahrhunderts entdeckte man es wieder. Vom Dickicht gut getarnt sind seine imposanten Bauten heute noch.

Luís tritt in die Pedale. Das Fahrradtaxi rollt durch die Ruinenstadt im Wald. Immer wieder blitzen graue Wände ganz unterschiedlicher Steinstrukturen durch die Bäume: Tempel, Zeremonienplätze, Pyramiden – darunter endlich auch der „Große Hügel“ beziehungsweise „Nohoch Mul“.

Grausame Rituale

Von dichtem Grün umgeben, kann diesen Pyramiden-Berg erst wirklich sehen, wer direkt davor steht. Wie ein riesengroßes, greises Urzeitwesen, das kaum die eigene Körperlast noch tragen kann, schlummert der antike, 42 Meter hohe Steinberg vor sich hin. Hier und da ist er schon etwas krumm, die welke, graue Haut zerfurcht von Narben, Falten, Rissen. Doch immer noch reckt er sich würdevoll zum Himmel, zu stolz, sich kampflos dem Verfall zu überlassen.

Die Pyramide des Kukulcán in Chichén Itzá (30 Meter hoch) mag besser erhalten und viel bekannter sein, die namenlose in Muyil (17 Meter) ruhiger und malerischer gelegen, doch diese ist die höchste weit und breit und eine der letzten, die man als Tourist besteigen darf.

„Grüß die Götter“, sagt Luís, der mit seinem Dreirad unten warten wird. Der steile Aufstieg über 120 zum Teil hohe Stufen ist recht mühsam, doch das entsprach der Absicht der Erbauer. Diente der eigentliche Pyramidenkörper doch lediglich als Sockel für den klitzekleinen Tempel oben drauf. Er bot gerade soviel Platz, dass man darin jemand feierlich enthaupten konnte. Kopf und Körper ließ man hinterher effektvoll die Pyramidenstufen hinunterrollen.

Honig als Mittel

Um dem Menschenopfer seine Fahrt ins Jenseits zu versüßen, betäubte man es vorsorglich mit Honigmet. Die Priester schmierten sich – wie offenbar bei allen Ritualen – den Honig selbst ums Maul, und sogar wörtlich. Bei großen Festen aß man kleine Götter, geknetet und gebacken aus Maismehl, Wasser, Honig. Das wohlschmeckende und heilkräftige Lebensmittel war so wichtig für die alten Mayas, dass sie es über alles stellten. Ihr Wort dafür war „kaab“. Und das bedeutet Honig, Biene und auch Welt.

Gott mit Insektenflügeln

Der Weltenschöpfer Ah Muken Kaab, dem der Pyramidentempel geweiht wurde, taucht an dessen Fassade gleich zweimal als Relief auf. Dargestellt ist er – genauso wie an „seinem“ Tempel in Tulum – mit dem Kopf nach unten als „Herabstürzender Gott“ mit Insektenflügeln, denn er gilt zugleich als Herr des Honigs und der stachellosen Bienen. „Sie konnten nicht stechen, aber beißen“, weiß Luís über die zwei kleinen einheimischen Arten, die seine fernen Vorfahren in ausgehöhlten, mit flachen Steinen verschlossenen Baumstammstücken hielten, um Honig zu gewinnen. „Später übernahmen wir von den Spaniern die europäischen Methoden und auch ihre Bienen“, erzählt der junge Maya, dessen Vater Imker ist. Wie die meisten hier lebt seine elfköpfige Familie sowohl vom Tourismus als auch von Imkerei und Landwirtschaft.

Nektarmix von vielen Blüten

Alle Veränderungen überdauert hat die einzigartige Qualität des Yucatán-Honigs. Sein kräftiges Aroma wird im Frühjahr von Goldaugen (kleinen Sonnenblumen-Verwandten), später von dem nach Flieder duftenden ts'its'ilche-Strauch (Gymnopodium floribundum) dominiert. Insgesamt ist es ein Blütennektar-Mix von rund 800 Pflanzenarten. „Das schmeckt man“, versichert Luís und bietet eine Probe an, die überzeugt. Wieder hat er einen Taxigast als Honigkunden gewonnen.

UNTERWEGS IN YUCATÁN

Hotels: Grand Palladium Costa Mujeres Resort & Spa, 5*, Tennisakademie mit Rafael Nadal, Ausflüge zu Ausgrabungen, www.palladiumotelgroup.com

Palms Tulum Luxury Hotel: 3 km vom Strand, moderne Suiten, Pool, Leihräder, www.palmstulumluxuryhotel.mx

Uma Tulum Oceanfront: Einfache Bungalows und Zelte am Strand, www.uma-tulumoceanfronthotel.com
www.tulum.com

Ausflüge: Antike Maya-Stätten wie Tulum, Muyil und Cobá. Nationalpark Sian Ka'an und Lagune (Tipp: Bootstouren mit Floating – man treibt mit Schwimmweste im Wasser)

Essen: „Cocodrilo“ an der Laguna Cobá: gemütlich, gute Quesadilla Maya. Frauen aus dem Dorf verkaufen hier Waldbienenhonig und Bienenpollen. Sowie „Chunyaxche“ in Muyil.

Infos:www.visitmexico.com

Compliance: Die Recherche wurde von der Palladium Hotel Group unterstützt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2020)

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