Werde einem Priester ein sexueller Übergriff auf Minderjährige nachgewiesen, müsse er in den Laienstand versetzt werden, sagt Helmut Schüller. Er hat die beispielgebende Wiener Ombudsstelle geleitet.
WIEN. „Wir brauchen ein Berufsverbot für Täter, anders geht es nicht." Priester, denen sexuelle Übergriffe auf Minderjährige nachgewiesen worden seien, sollten in den Laienstand zurückversetzt werden. „Da muss eine klare Linie her." Diese Forderung erhob Helmut Schüller, Ex-Generalvikar der Erzdiözese Wien und Gründer der Ombudsstelle für Opfer sexuellen Missbrauchs in der Bundeshauptstadt am Dienstag im Gespräch mit der „Presse".
Am Mittwoch wird Kardinal Christoph Schönborn in Mariazell die von der Bischofskonferenz bei ihrer Sommertagung abgesegneten Maßnahmen präsentieren. Schüllers Begründung für seinen Vorstoß: „Seelsorger ist ein Beruf, bei dem man letztlich immer mit Kindern oder Jugendlichen in Kontakt tritt. Auch wenn sich Täter einer Therapie unterzogen haben, steht an deren Ende immer, dass man Situationen vermeiden muss, in denen man überfordert wäre."
„Die Kirche muss klarmachen, dass sie bei Verdacht eine umgehende Meldung wünscht."
Wiens Ex-Generalvikar Helmut Schüller
Lobend äußert sich Schüller über das bisherige Agieren Kardinal Schönborns in dieser Angelegenheit. Aber jetzt gehe es auch um die Mühen der Ebene und darum, auf lange Frist in den Bemühungen im Kampf gegen Missbrauch nicht nachzulassen. Schüller: „Es geht um ein vitales Zeichen des Angehens der Sache, nicht nur um Schadensgutmachung und dass das Priesterimage poliert wird. Es besteht die große Gefahr, dass das wieder zurücksackt."
Seine weiteren Forderungen an die Bischöfe: Die katholische Kirche müsse von sich aus offensiv auf die Existenz der Ombudsstellen hinweisen, bis hin zu Anschlägen in allen Pfarren. Schüllers Kritik: „Das ist ein Mangel, der bisher sehr stark war. Man musste sich als Opfer durchkämpfen, bis man auf die Ombudsstelle aufmerksam wurde. Die Kirche muss klarmachen, dass sie bei Verdacht eine umgehende Meldung wünscht."
Darüber hinaus müsse für Täter verlässlich eine Therapie vorgesehen werden. Österreich solle beim Aufbau eines Angebots auch mit den deutschen Diözesen zusammenarbeiten.
Kritik am Vatikan
Und Schüller, der Chef der Pfarrerinitiative ist, übt auch Kritik an Rom: „Vom Vatikan wurde bisher nur einseitig die moralische Dimension angesprochen. Zum Teil handelt es sich aber um eine Krankheit, kein moralisches Problem, weil es nicht immer im Willensbereich des Täters liegt. Es geht nicht nur um Fragen von Schuld und Sünde, um Vergebung und Verzeihung. Da vermisse ich noch weitgehendst klare Signale." Für Österreich sieht es der frühere Wiener Generalvikar als unabdingbar an, die Ombudsstellen miteinander und mit den Ordensgemeinschaften zu vernetzen.
Schüller hat 1996 bis 2005 jene Ombudsstelle geleitet, die als beispielhaft für alle Diözesen gilt. Nach ihrem Vorbild wurden Richtlinien erarbeitet, die bei der Bischofskonferenz als verbindlich für alle beschlossen werden sollen.
ZUR PERSON
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.06.2010)