Unterwegs

Doppeldecker-Busse

Die Londoner Autobusse gelten nicht als die zuverlässigsten. Und doch sind sie eine Faszination für Groß und Klein.

Als er noch ein kleines Kind war, flitzte T. in das obere Deck des Busses der Linie 8 wie ein geölter Blitz. Stets sicherte er sich einen Platz in der ersten Sitzreihe, und durch die riesigen Fensterscheiben genoss er einen perfekten Ausblick auf die Straßen Londons. So sehr liebte T. die Fahrten im Achterbus, dass sie nicht nur fixer Bestandteil des Freizeitprogramms wurden. Zu einem Weihnachtsfest bastelte ihm sein Vater ein Spiel, das auf einem Stadtplan eine Busreise von Endstation zu Endstation nachempfand.

Damals fuhr der Bus Nr. 8 noch von Bow Church im Osten Londons bis Victoria im Westen der Stadt. Eine Karte mit dem gesamten Streckenverlauf war gar nicht einfach zu finden.

Doch was es da alles zu sehen gab: Entlang der Bethnal Green Road hatten Händler ihre Stände aufgebaut, in Shoreditch verwandelte sich ein Scherbenviertel in ein Hipster-Hauptquartier, um den Bahnhof Liverpool Street schoss ein neuer Hochhausdistrikt aus der Erde. Dann vorbei an St Pauls bis zur Oxford Street, wo der Bus unweigerlich in einem undurchdringlichen Gemenge aus Passanten, Taxis und Bussen stecken blieb.

An der Unzuverlässigkeit der Linie 8 hat auch die Kürzung der Route nichts geändert. Von Londoner Bussen heißt es, eine Ewigkeit kommt nichts, dann aber kommen drei auf einmal.

T. fährt heute längst mit der Central Line nach Hause. Sein Vater aber steht manchmal noch an der Station und wartet und wartet und . . . früher als ein Bus kommt zuverlässig die Erinnerung.

aussenpolitik@diepresse.com


Nächste Woche:
Jutta Sommerbauer

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.02.2020)

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