Das Parlament in Bukarest stimmte für die Ablösung des Kabinetts von Premier Orban. Diesem dürfte das gelegen kommen.
Belgrad/Bukarest. Zum zweiten Mal innerhalb von vier Monaten ist in Rumänien die Regierung über ein erfolgreiches Misstrauensvotum der Opposition gestürzt. Mit 261 zu 233 Stimmen stimmte das Parlament in Bukarest am Mittwoch für die Ablösung des von der konservativen PNL geführten Minderheitskabinetts von Premier Ludovic Orban.
Eingebracht hatten das Misstrauensvotum die oppositionellen Sozialdemokraten (PSD). Der regierenden PNL und dem ihr nahestehenden Staatschef Klaus Johannis dürfte der scheinbare Gegenschlag aber durchaus gelegen kommen. Wie der Präsident drängt auch die PNL auf Neuwahlen, um ihr derzeitiges Umfragehoch an den Urnen zu kapitalisieren – und eine Regierung mit einer soliden Parlamentsmehrheit zu schaffen.
Das vom Kabinett durch die Absegnung eines neuen Wahlgesetzes per Notverordnung provozierte Misstrauensvotum könnte sich als die Ouvertüre für Neuwahlen erweisen. Sollte das Parlament zwei Mal bei der Bestätigung einer neuen Regierung scheitern, kann der Präsident Wahlen ansetzen.
Laut Umfragen könnte die PNL mit 47,7 Prozent der Stimmen bei einem vorgezogenen Urnengang derzeit selbst auf eine absolute Mehrheit der Parlamentssitze hoffen und wäre klar die stärkste Kraft – vor der sozialdemokratischen PSD (20,6 Prozent) und dem Reformbündnis USR-PLUS (15,8 Prozent). Alle anderen der derzeit noch im Parlament vertretenen Parteien drohen hingegen an der Fünfprozenthürde zu straucheln.
Kalkulierte Niederlage
Ein Hinweis, dass der nun geschäftsführende Regierungschef Orban die Niederlage bei dem Misstrauensvotum durchaus einkalkuliert hat, sind die 25 Gesetzänderungen, die sein Kabinett am Dienstag in einer achtstündigen Marathonsitzung per Dringlichkeitsverordnungen verabschiedet hatte: In der Opposition hatte die PNL das Regieren per Notverordnungen durch die früheren PSD-Regierungen stets hart kritisiert.
PNL-Chef Orban hatte die Regierungsgeschäfte erst am 4. November unmittelbar vor Rumäniens Präsidentschaftswahlen übernommen. Zuvor war die damalige PSD-Regierungschefin Viorica Dancila im Oktober über ein von der PNL eingebrachtes Misstrauensvotum gestrauchelt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.02.2020)