Moskau beschuldigt Israel, ein Passagierflugzeug als Schutzschild für Raketenangriff missbraucht zu haben. Russen und Türken beraten Eskalation rund um Idlib.
Moskau/Damaskus/Istanbul. Die Lage in Syrien ist weiter explosiv. Nach der Eskalation zwischen türkischen und syrischen Truppen besucht am Samstag eine russische Delegation Ankara, um die Wogen zu glätten. Dem Vernehmen nach war auch ein Treffen zwischen den Präsidenten Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdoğan in Planung. Die Information wurde zunächst nicht offiziell bestätigt.
Zu einem brandgefährlichen Zwischenfall ist es laut Angaben des russischen Verteidigungsministeriums am Donnerstagmorgen gekommen. Demnach geriet ein ziviles Flugzeug mit 172 Menschen an Bord unter Beschuss und musste am russischen Luftwaffenstützpunkt Hmeimim notlanden.
Der Vorfall erinnerte an den Abschuss einer ukrainischen Passagiermaschine über Teheran vor einem Monat. Israelische Kampfjets hatten Raketen auf Vororte von Damaskus gefeuert, worauf die syrische Luftabwehr in Aktion trat, erklärte gestern der russische Generalmajor Igor Konaschenkow.
Der aus Teheran kommende und sich bereits im Landeanflug befindliche Airbus-A320 konnte im letzten Moment umgeleitet werden. Russischen Angaben zufolge war es ein sehr knappes Manöver. Der Airbus habe sich „in der Zone eines tödlichen Raketen-Feuers“ befunden, sagte Konaschenkow, der heftige Kritik am israelischen Generalstab übte. Ein Vorgehen wie dieses sei „charakteristisch“ für die israelischen Streitkräfte. Flugnummer und Fluggesellschaft wurden nicht genannt, was für Verwirrung sorgte.
Moskau soll Damaskus zähmen
Bei dem russisch-türkischen Treffen will Ankara einen Stopp der Offensive der syrischen Regierungstruppen in der umkämpften Provinz Idlib erreichen. Außerdem gehe es um das Verhindern einer humanitären Katastrophe, sagte Außenminister Mevlüt Cavuşoğlu. Die nordwestsyrische Region ist das einzige in Rebellenhand verbliebene Gebiet. Die Gefechte in der Region dauern mit unverminderter Härte an. 3,5 Millionen Menschen sind in dem Gebiet gleichsam eingeschlossen.
Angesichts der sich zuspitzenden Kämpfe erweist sich auch das Abkommen zwischen Moskau und Ankara als wackelig. Zu Wochenbeginn hatte ein Artillerieangriff der syrischen Armee acht türkische Militärangehörige getötet. Nach dem Vorfall hatte Ankara Vergeltungsangriffe unternommen, bei denen mindestens 13 syrische Soldaten getötet wurden. Ankara setzte danach die gemeinsamen Militärpatrouillen aus und hat weitere Truppen in das Kampfgebiet verlegt. (som/ag.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.02.2020)