Türkei "neutralisiert" mehr als hundert syrische Soldaten

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CONFLICT-IDLIB-SYRIAAPA/AFP/OMAR HAJ KADOUR
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Der Angriff ist eine Reaktion auf den Tod von fünf türkischen Militärs in der umkämpften Region Idlib, in der sich die Lage weiter verschärft.

Ankara. Als Reaktion auf den Tod von fünf türkischen Soldaten bei einem syrischen Angriff am Montag in der umkämpften Region Idlib hat die Türkei nach eigenen Angaben mehr als hundert syrische Soldaten "neutralisiert".

"Nach unseren Informationen wurden 101 Angehörige des Regimes neutralisiert", teilte das türkische Verteidigungsministerium am Montag mit. Auch drei Panzer, zwei Kanonen und ein syrischer Regierungshubschrauber seien bei dem Vergeltungsangriff in der nordwestsyrischen Region Idlib getroffen worden. Die Luftangriffe auf syrische Stellungen würden am Abend fortgesetzt. Mit dem Tod der fünf Soldaten wuchsen die Befürchtungen, dass die Lage weiter eskaliert und es zu einer direkten militärischen Konfrontation zwischen Syrien und der Türkei kommen könnte.

Mit dem Vormarsch der syrischen Armee und einer Aufrüstung der Türkei im Rebellengebiet Idlib verschärft sich die Lage im Nordwesten des Bürgerkriegslandes. Idlib ist das letzte große Rebellengebiet in Syrien, wo seit fast neun Jahren ein Bürgerkrieg herrscht. Die Region wird von der Al-Kaida-nahen Miliz Haiat Tahrir al-Sham (HTS) kontrolliert.

Assads Idlib-Offensive tötete 1500 Zivilisten

Präsident Bashar al-Assad hatte zuvor erklärt, wieder ganz Syrien unter seine Kontrolle bringen zu wollen. In der seit April laufenden Offensive auf Idlib, bei der Assads Truppen durch russische Luftangriffe unterstützt werden, wurden nach UN-Angaben mindestens 1500 Zivilisten getötet. Hunderttausende Menschen sind auf der Flucht, viele in Richtung türkischer Grenze.

Die Spannungen mit der Türkei, die in Idlib Rebellen unterstützt und zwölf Beobachtungsposten unterhält, wuchsen weiter.Nach dem Tod der fünf türkischen Soldaten schrieb der Kommunikationsdirektor von Präsident Recep Tayyip in einem Tweet: "Der Angriff wurde mit Gleichem vergolten. Die feindlichen Ziele wurden umgehend vernichtet, dadurch wurde das Blut unserer Märtyrer nicht ungesühnt gelassen."

Erdogans Ultimatum

Erst vor einer Woche waren unter syrischem Beschuss sieben türkische Soldaten und ein ziviler Mitarbeiter des Militärs getötet worden. Türkische Truppen töteten daraufhin bei einem Vergeltungsangriff mehrere syrische Soldaten. Erdogan stellte Damaskus zudem ein Ultimatum und sagte, dass sich die syrische Armee bis Ende Februar von den türkischen Posten zurückziehen müsse, sonst werde die Türkei die Sache selber in die Hand nehmen.

Augenzeugen hatten am Montag berichtet, dass die türkische Armee und die von ihr unterstützte Nationale Befreiungsfront sich auf Kämpfe mit syrischen Truppen vorbereiten. Die Türkei hatte dort zuvor ihre Beobachtungsposten verstärkt und gepanzerte Fahrzeuge, Munition sowie schwere Waffen geliefert. Einem Bericht der Nachrichtenagentur DHA zufolge wurden die Posten mit Panzern und Raketenwerfern verstärkt. Der Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge wurden in vergangenen Tagen 6.000 türkische Soldaten und 1.400 Fahrzeuge nach Idlib und in die Gegend um Aleppo gebracht.

Turkish military vehicles enter the Bab al-Hawa crossing at the Syrian-Turkish border, in Idlib governorate
Turkish military vehicles enter the Bab al-Hawa crossing at the Syrian-Turkish border, in Idlib governorateREUTERS

Eigentlich hatte die Türkei sich mit Russland als Schutzmacht der syrischen Regierung auf eine Deeskalationszone für Idlib geeinigt. Diese Abmachung scheint mit dem zunehmenden Vormarsch der syrischen Armee nichtig, die in der Region eigenen Angaben zufolge zuletzt die Kontrolle über 600 Quadratkilometer zurückgewann. Der Vormarsch hat bei der Türkei, die bereits Millionen syrische Flüchtlinge beherbergt, Besorgnis ausgelöst.

Gespräche zwischen Moskau und Ankara

Parallel gab es Ansätze, eine größere Eskalation zu vermeiden. Am Montag sollte eine Delegation aus Moskau zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage mit türkischen Vertretern in Ankara zusammentreffen, um die Lage in Idlib zu diskutieren. Erste Gespräche am Samstag hatten nach Worten von Außenminister Mevlüt Cavusoglu noch keine Einigung gebracht. Gegebenenfalls könnten Kremlchef Wladimir Putin und Präsident Erdogan wieder zusammenkommen, sagte Cavusoglu.

(APA)

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