ÖVP, Grüne und SPÖ im Europaparlement argumentieren gegen die Regierungslinie von Außenminister Schallenberg. Dessen Veto gegen die EU-Mittelmeermission ist etwa für SPÖ-Delegationsleiter Schieder ein "außenpolitisch schwerer Fehler“.
Der ÖVP-Europaabgeordnete Othmar Karas sowie die grüne Delegationsleiterin im EU-Parlament Monika Vana sind auf Distanz zum österreichischen Veto gegen die EU-Mittelmeermission "Sophia" gegangen. "Ich finde, dass man nicht den Kampf gegen Schlepper gegen die Rettung von Menschen ausspielen darf", sagte Karas am Montag vor Journalisten in Wien.
"Das lässt sich auch durch keine einzige Zahl belegen", sagte Karas in Bezug auf das Argument der österreichischen Bundesregierung, dass durch den Einsatz wieder mehr Flüchtende nach Europa kommen würden. Karas betonte den Auftrag der Mission: die Zerstörung des Geschäftsmodells von Schleppern und Menschenhändlern, die Ausbildung libyscher Grenzschützer sowie die Kontrolle der Umsetzung des UNO-Waffenembargos für Libyen.
Um diese Aufgaben zu erfüllen schloss Karas eine Verbesserung der Mission nicht aus. Fakt sei aber, "wir brauchen mehr Initiativen in der Außen- und Sicherheitspolitik. Wir benötigen mehr Anstrengungen."
Grüne im „Dissens“ mit dem Koalitionspartner
Vana ortete in der Frage der Mission einen "großen Dissens mit dem Koalitionspartner". Sie verwies auf die Aussagen von Sozialminister Rudi Anschober (Grüne) und sagte: "Wir Grünen stehen absolut, sind immer gestanden und werden immer stehen für Lebensrettungsprogramme im Mittelmeer, für Seenotrettung und selbstverständlich für die Weiterführung der Mission 'Sophia'".
Auch SPÖ-Delegationsleiter Andreas Schieder hält die Mission für "extrem wichtig". Er halte ein österreichisches Veto gegen "Sophia" für einen "außenpolitischen schweren Fehler", so Schieder: Die "krude These, dass wenn man Menschen ertrinken lässt, damit das Sterben im Mittelmeer beenden würde", sei ein "Irrglaube" und zeige "inhumanen Zynismus".
Schallenberg will etwas „Neues"
Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) hatte am Montag das Nein Österreichs zu einer Wiederaufnahme der EU-Mission "Sophia" bekräftigt. Allerdings räumte er ein, dass es bei einer Luftraumüberwachung, um die es in einer ersten Phase gehen werde, vermutlich auch Schiffe geben müsse, von denen aus Drohnen starten, so Schallenberg vor einem Treffen mit seinen Amtskollegen in Brüssel.
Es gehe aber um eine militärische Operation und nicht um eine humanitäre Mission, "wenn wir diesem Waffenembargo wirklich zum Durchbruch verhelfen wollen", betonte der Außenminister, der für eine "sinnhafte Operation, die das machen kann, wozu sie da ist" eintrat.
Man könne zwar "über alles reden". Aber "nicht vor der libyschen Küste", so Schallenberg, der sich einmal mehr gegen die Wiederaufnahme der Operation "Sophia" aussprach. "Es muss etwas Neues kommen", sagte er.
EU sucht Lösung
In Brüssel stehe man am Beginn eines "sehr ernsthaften Verhandlungsprozess". Die Minister eine das Ziel der Umsetzung der Beschlüsse der Berliner Konferenz, also der Unterstützung des politischen Prozesses, des UNO-Waffenembargos und eines Waffenstillstandes. Die Umsetzung des Waffenembargos sei bisher "nur halbherzig geschehen", so Schallenberg. Das Mandat der EU-Marinemission "Sophia" zum Kampf gegen Schlepperbanden beinhaltet als Nebenaufgabe auch das Vorgehen gegen Waffenschmuggler. Dies wurde jedoch nur äußerst selten ausgenützt.
Österreich und laut Diplomaten auch Ungarn blockieren derzeit den Wiedereinsatz von Schiffen, um das bei der Berliner Libyen-Konferenz vom Jänner bekräftigte Waffenembargo gegen das nordafrikanische Bürgerkriegsland zu überwachen. Die ÖVP sieht in den EU-Schiffen im Mittelmeer einen sogenannten Pull-Faktor für Flüchtende.
Österreich ist laut dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell nicht das einzige EU-Land, das gegen den Einsatz von Schiffen im Rahmen der EU-Operation ist. Auch andere Staaten hätten Vorbehalte oder noch Klärungsbedarf, erklärte der EU-Chefdiplomat am Montag vor Beginn des EU-Außenrates. Eine Einigung auf die europäische Überwachung des Waffenembargos gegen Libyen erwartet er sich von dem Treffen nicht. "Ich denke nicht, dass wir dazu in der Lage sind", sagte Borrell am Montag in Brüssel. Eine Einigung sei aber auch noch beim nächsten Außenministertreffen am 23. März möglich.
Der Einsatz "Sophia" war 2015 auf dem Höhepunkt der Fluchtbewegung zum Kampf gegen Schlepperbanden und nicht zur Seenotrettung beschlossen worden. Ihre Schiffe haben seitdem 45.000 Flüchtlinge gerettet und nach Italien gebracht, da sich die Rettung von Menschen in Seenot aus dem internationalen Seerecht ergibt. Das bis 31. März laufende Mandat berechtigt auch zum Vorgehen gegen Waffenschmuggler. Seit April 2019 sind allerdings keine Schiffe mehr im Einsatz und "Sophia" beschränkt sich nur noch auf die Ausbildung der libyschen Küstenwache.
(APA)