Deuter der Launen der Massen

Der Erfinder des Faschismus wusste, wie man die Schwächen einer Epoche nützt: Solche Einblicke in die Gedankenwelt des „Duce“ wagt der italienische Schriftsteller Antonio Scurati in seinem nun auf Deutsch erschienenen Mussolini-Roman.

Mailand, September 1920: Die Wunden des Ersten Weltkriegs sind weit offen. Die Wirtschaft liegt auf dem Boden. Zornige, besoffene Soldaten irren bewaffnet durch die norditalienische Metropole. Die Bordelle sind überfüllt. Arbeiter besetzen das Werk von Alfa Romeo, die Revolution scheint zum Greifen nahe. Das Bürgertum ist paralysiert, Industrielle fordern Härte. Doch der 77-jährige Premier Giovanni Giolitti setzt auf Ausgleich, auf Kompromiss. Wieder einmal.

Benito Mussolini, Chef der faschistischen Bewegung und Herausgeber ihres Sprachrohrs, „Il Popolo d' Italia“, arbeitet bis spät am Abend in seiner schäbigen Mailänder Redaktion, wo er Granaten und andere Waffen hortet. Nach Blattschluss sitzt der Journalist immer am selben Ecktisch einer Trattoria, gemeinsam mit Veteranen, Kriminellen, futuristischen Künstlern und loyalen Anhängern. Kollegen der bürgerlichen und linken Presse belächeln die skurrile Bande, manchmal gibt es Streit. Am Ecktisch prophezeit man grölend die Machtergreifung, träumt vom neuen, jungen Italien.

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