Die südamerikanische Pantoffelblume ist eine flüchtige Frühlingsschönheit für helle Fensterbänke, doch es zahlt sich aus mehreren Gründen aus, ihre aufregende Blüte genauer zu analysieren.
Als Kinder machten wir uns bei Tanten und Großmüttern nicht sonderlich beliebt, wenn wir in Gärten und an Blumenfenstern Blüten abrissen, um sie zu zerlegen und bäuchlings auf dem Teppich liegend ihre Innereien unter die Lupe zu nehmen. Wir taten das im wahrsten Sinn des Wortes, denn es gibt Blüten, deren Anatomien sind so absonderlich, dass sie ganz genau und zumal auch von innen betrachtet werden müssen. Ergiebige Studienobjekte waren beispielsweise die im Verborgenen aufregend behaarten Blüten der Schwertlilie, die innerlich oft fein getüpfelten Lippenblüten der verschiedenen Nesseln, aus denen man nicht immer, doch meistens süßen Nektar saugen konnte, die majestätischen Kastanienblüten und die Kelche des Fingerhuts, in die vor allem Hummeln so gern hineinkrochen.
Sollten Sie jetzt sogleich nach einer Lupe kramen – Geduld! Bis die genannten Schönheiten zur Blüte kommen, dauert es noch, doch nicht mehr lang. Dieser Tage offerieren jedoch die meisten Blumenläden eine sogenannte Saisonpflanze, die ebenfalls aufregend blüht und die wir seinerzeit besonders gern zerschnipselten, um in ihr Inneres vorzudringen: die Pantoffelblume. Sie trägt eine der absurdesten Blüten überhaupt. Unter einer Art winzigem Blütenblattschopf befindet sich ein kleiner Ballon, der dem Blütengesicht ein freundliches Lächeln zu verleihen scheint. Die Blüte erinnert entfernt auch an eine Frauenschuhorchidee oder an einen Pantoffel, und dieser Analogie verdankt die Pflanzengattung ihren Namen.
Kurze Lebensdauer. Die Südamerikanerin war bereits zu Großmutters Zeiten ein beliebter Frühlingsgruß auf der Fensterbank, doch nie war ihr ein langes Leben beschieden. Nicht, weil wir sie so gründlich untersuchten, sondern weil sie stets nur für ein paar Wochen blühte, dann verwelkte und von uns ging. Tatsächlich wird meinem jüngst im Vorübergehen erblickten und sofort erworbenen Exemplar ein ähnliches Schicksal beschieden sein, doch bis dahin ist der Blütenrausch gewaltig und eine auffällige Zier in Dottergelb mit purpurroten Sommersprossen.