Ganymed: Die Macht der Drachenbabys

Gemäldegalerie des KHM
Gemäldegalerie des KHM (c) Clemens Fabry
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Die Höhepunkte des achten Stationentheaters liefern heuer Franz Schuh und Benny Omerzell.

Es ist schwierig: Einerseits ist Ganymed ein ganz wundervolles, zauberhaftes Format. Sieben Mal bereits konnte man dem von Jacqueline Kornmüller ausgetüftelten Plan durch die Gemäldegalerie des KHM schon folgen – um hier ein kleines Ständchen, dort ein Besingen, da eine Dichtung, ums Eck eine Hasstirade, dort drüben vielleicht eine Liebeserklärung, am Ende noch einen wilden Reigen zu entdecken. Vor Rubens, Tizian, Rembrandt, Giorgione und wie sie alle heißen.

Andererseits – man hat das alles eben schon sieben Mal in ähnlicher Weise entdeckt. Die über 30 Schauspieler, Musiker, Autoren, Performer – meist in etwa dieselbe Truppe – haben es schon siebenmal getan. Die Regisseurin sowieso. Das einzige, was sich an dem so genialen Stationentheater zu ändern scheint, ist das Thema, heuer „Power“, also Macht, von der die Habsburger-Sammlung allerdings genug erzählen kann.

Ob es die Macht der Mutter noch aus dem Grab ist, von der die Strottern vor Peruginos „Maria mit Kind“ singen. Oder die von Isolde Charim aufgestellte Theorie der zwei Körper der Kaiserin Maria Theresia, die Gerti Drassl als Alter Ego der Philosophin etwas zu aufgewühlt in die Menge schreit. Überraschungen, emotionale Überwältigungen sind bei Ganymed eben selten geworden.

Es gibt sie dennoch, sie entstehen vor allem, wenn die ausgewählten Gemälde nicht nur als Stichwortgeber fungieren, sondern die Performances sie in den Mittelpunkt stellen, unsere Wahrnehmung erneuern, gar ändern. Fulminant gelingt das heuer Ulli Maier, die mit tiefer, eindringlicher Stimme die ebenso tiefen Gedanken mit uns teilt, die sich Franz Schuh zu Rembrandts „Kleinem Selbstbildnis“ gemacht hat – über zerklüftete, trotzdem tragende Fassaden, die universell Wahrhaftiges darzustellen vermögen, das genaue Gegenteil von Selfies.

Ähnlich stark der Katzenmord-Text Victor Martinovichs vor Caravaggios „David“, der an die Schmerzgrenze der Besucher ging. Denen standen aber auch schon die Tränen in den Augen beim Schicksal der Drachenfamilie in Benny Omerzells entzückendem Trickfilm vor Leonhard Becks Gemälde des „Hl. Georg im Drachenkampf“. Und wirklich, plötzlich sieht man es, da liegt tatsächlich auch ein totes Drachenbaby. (sp)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.03.2020)

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