Esskultur

Über Ernährungslügen und ein System, das langsam aus den Fugen gerät

Ist Superfood wirklich so super? Und was hat das Handy als Teil des Essbestecks mit dem rasanten Wandel der Esskultur zu tun? Ist eine Kalorie wirklich immer eine Kalorie? Manfred Kriener gibt in seinem neuen Buch Antworten.

Kann man ein realistisches Bild unseres Ernährungssystems und unserer Esskultur zeichnen, ohne immer wieder unappetitlich zu werden? Nein, meint der deutsche Journalist und Autor Manfred Kriener und serviert den Lesern in „Leckerland ist abgebrannt“ ein paar Portionen Ernährung und Esskultur mit einer Prise „Not und Elend". Auf seiner Recherche stößt er auf toxisches Fleisch und Heuschreckenragout, auf Adipositas als gesellschaftliches Problem, auf eine Politik, die zusieht und auf die gute alte Kartoffel als wahres Superfood. „Die Presse“ hat ihn vorab zum Gespräch gebeten.

„Die Presse“: Herr Kriener, fasten Sie?
Manfred Kriener:
Nein, obwohl mir die in wissenschaftlichen Studien belegten Vorzüge des Fastens bekannt sind. Ich esse aber verdammt gern, wenn auch oft nur zweimal am Tag.

Sie haben sich ausführlich mit Ernährungslügen beschäftigt. Können Sie mir drei nennen, die Sie besonders überrascht haben?
Dass die Menschen immer noch glauben, dass Fett ungesund ist und dick macht, scheint unausrottbar, ist aber erwiesenermaßen falsch. Auch die Behauptung „Eine Kalorie ist eine Kalorie" ist widerlegt. Eine Kalorie der besonders kritischen Fruktose, also des Fruchtzuckers, wird ganz anders verstoffwechselt als eine Kalorie Glukose, die zum Beispiel aus einer Kartoffel-Mahlzeit gewonnen wird. Dass Millionen Menschen Fruchtsäfte trinken und auch noch glauben, dies sei gesund, wäre mein drittes Beispiel. Fruchtsäfte sind meist eingedampfte Konzentrate, mit Wasser verdünnt, mit Unmengen Zucker und mit Kunstaroma aufgepeppt. Sie jagen mit jedem Glas den Insulinspiegel hoch.

Gab es für Sie einen Aha-Moment, eine Tatsache, die sich als unwahr bewiesen hat oder umgekehrt?
Einen dramatischen Aha-Effekt löste die Tatsache aus, dass weltweit Hunderte von Millionen extrem dicker Menschen an Adipositas leiden und dies in Deutschland immer noch nicht als Krankheit anerkannt ist. Wir tun immer noch so, als seien die Betroffenen selber schuld, auch die Kinder. Als seien sie lauter „verfressene undisziplinierte Süchtlinge", die nachts den Kühlschrank plündern. Das ist nicht wahr. Adipositas ist kein individuelles, sondern ein gesellschaftliches Problem, das müssen wir endlich begreifen. Ein Problem, das vor allem von unserer Ernährungsindustrie und von einer nur zuschauenden Politik verursacht wird.

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