Krisenmanagement

Das Virus im Weißen Haus, das sich nicht „wegtwittern lässt“

Stabschef in Heimquarantäne: Mark Meadows.
Stabschef in Heimquarantäne: Mark Meadows.(c) imago images/ZUMA Press
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Stabschef Mark Meadows hat sich Heimquarantäne verordnet. Der Präsident fürchtet das Virus – und die Krise im Wahljahr.

Wien/Washington. Donald Trumps neuer Stabschef sollte im Weißen Haus sitzen und gemeinsam mit Vizepräsident Mike Pence das Krisenmanagement der Regierung in der Coronakrise dirigieren, die der Präsident anfangs sträflich unterschätzt hat. „Das Virus wird vorbeigehen“, lautete das als Placebo ausgegebene Credo Trumps, der sich bei einer Stippvisite im Seuchenkontrollzentrum in Atlanta neulich zum großen Gesundheitsexperten stilisiert, dabei aber ebenso große Wissenslücken offenbart hatte. Die Schuld am vermeintlichen Hype um das Coronavirus gab er den „Fake-News-Medien“.

Auch Pence genießt nicht den besten Ruf unter Medizinern. Längst machen in Washington Gerüchte die Runde, der Präsident könnte seinen Vize ablösen und ihn gegen Nikki Haley eintauschen, die indischstämmige Ex-Gouverneurin und ehemalige US-Botschafterin bei der UNO.

Mark Meadows, den Trump erst am Wochenende zu seinem vierten Stabschef in knapp mehr als drei Jahren berufen hat, arbeitet dagegen aus dem Home-Office. Er hat sich einer freiwilligen Quarantäne unterzogen, nachdem er bei der Konferenz der konservativen Aktivisten (CPAC) vor zwei Wochen Kontakt mit einem Teilnehmer gehabt hatte, der sich mit dem Coronavirus infiziert hat.

Das Jahrestreffen der republikanischen Basis in National Harbor nahe Washington erwies sich ohnedies als fatal. Mehrere republikanische Abgeordnete, darunter der texanische Senator Ted Cruz, begaben sich in Selbstisolation. Es zeigt sich, dass das Virus inzwischen nicht nur in Kalifornien, im Bundesstaat Washington oder in New York grassiert, sondern auch in den republikanischen Reihen des Kongresses.

Meadows, ein Abgeordneter aus North Carolina, war im Zuge der Ukraine-Affäre und während des Impeachment-Verfahrens als Berater Stammgast im Weißen Haus und erlangte als Verteidiger des Präsidenten in der Öffentlichkeit vollends dessen Vertrauen. Es traf sich, dass Trump zunehmend unzufrieden war mit seinem Stabschef Mick Mulvaney. Dessen Aussage bei einem Pressebriefing, bei dem er ein Quidproquo in der Ukraine-Affäre eingestand, brachte Trump indessen in Verlegenheit. Die Amtsenthebung hat der Präsident abgewendet, doch die Coronakrise könnte ihm das Wahljahr verhageln. Der Einbruch der Börse an der Wall Street führte ihm kürzlich den Ernst der Lage deutlich vor Augen. Bisher waren die gute Konjunktur und die niedrige Arbeitslosenrate Indikatoren für eine Wiederwahl im November. Eine Eintrübung der Wirtschaftslage würde seine Chancen mindern. Trump will darum ein massives Konjunkturpaket – Lohnsenkungen im Ausmaß von 700 Milliarden Dollar – beschließen, wofür die Zustimmung des Kongresses und der Goodwill der Demokraten vonnöten ist. Als Barack Obama im Zuge der Finanzkrise 2009 ein Konjunkturprogramm von 800 Milliarden Dollar lancierte, verweigerten ihm die Republikaner den Sanktus.

Absage von Wahlauftritten

Im Zeichen der Coronakrise droht nicht nur den Demokraten die Absage von Wahlkundgebungen. Joe Biden und Bernie Sanders strichen Auftritte in Cleveland in Ohio, und Biden sagte auch eine Veranstaltung am Donnerstag in Florida ab. Das „China-Virus“, wie er es nennt, fordert indes auch Tribut vom Präsidenten. Er muss möglicherweise auf Großkundgebungen verzichten, bei denen er seine Wählerschaft mobilisiert.

Bisher stellen ihm die Experten kein gutes Zeugnis für sein Krisenmanagement und seinen Zickzackkurs aus. Im Bundesstaat Washington, wo bisher die meisten Toten zu beklagen sind, mangelt es an Corona-Testmaterial. Donald Trump schmähte den demokratischen Gouverneur Jay Inslee, der Kritik an der Regierung formulierte, sogleich als „Schlange“.

Die Demokraten werfen ihm vor, in Florida Golf gespielt statt sich um die Krise gekümmert zu haben. Die „New York Times“ titelte süffisant: „Das Coronavirus ist ein Feind, der sich nicht wegtwittern lässt.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.03.2020)

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