Design und Covid19

Möbel und Design: Wenn das Jahr aus dem Takt gerät

Salone del Mobile
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So ein Virus bringt alle aus der Fassung. Und vor allem auch den Rhythmus, in den sich die Möbelbranche traditionell so sehr eingeschwungen hat.

Unvorhersehbare Ereignisse erfordern unvorhersehbare Maßnahmen. April? Das war doch in der Designbranche der Monat, in dem sich jeder nur um eines gekümmert hatte. Um die Hauptstadt der Lombardei. Um Mailand. Und vor allem darum, was dort in jenen Tagen präsentiert wird.  In diesem Jahr wird das anders sein. Das war schon vor ein paar Wochen absehbar. Denn das ganze Jahr gerät aus dem Rhythmus, da hat der Frühling noch nicht einmal begonnen.

Eigentlich müsste man auch den Frühling verschieben. Geht aber nicht. So astronomisch gesehen. In der Designbranche ist ansonsten alles verlegt worden. Dorthin, wo der enge Kalender der Designevents überhaupt noch schmale Lücken haben könnte. Einer der ersten Großveranstaltungen, die abgesagt bzw. verschoben worden waren, war der Salone del Mobile in Mailand. Nur die „Light & Building" in Frankfurt war noch einen Tick schneller und vorausschauender. Der „Salone“ ist eine Messe, die samt begleitender Design-Week selten unter 100.000 Menschen aus aller Welt in die Stadt zieht, gleichzeitig die Hotelpreise so sehr nach oben treibt, dass man endlich in der Jugendherberge im Schlafsaal zum Preis eines Wochenend-Städtetrips nächtigen kann. 

Längst ist diese Messe, die größte Möbelmesse der Welt, auch zum Exportartikel geworden. Denn gerade die großen italienischen  Designhersteller machen manchmal schon ein Drittel ihrer Umsätze in China. Deshalb hat man ohnehin schon sicherheitshalber vor einiger Zeit einen jährlichen Ableger nach Shanghai versetzt. Um noch näher an den Kunden zu sein. Doch auch gerade diese scheuten sich nicht, den langen Weg nach Mailand anzutreten. Als das Coronavirus noch eher medial als tatsächlich in Italien kursierte, war die erste böse Vorahnung der italienischen Design-Branche: Die Chinesen werden nicht nach Mailand kommen.

Das allein wäre schon fatal gewesen für das geographische und emotionale Zentrum der italienischen Design-Branche. Inzwischen ist es so: Es kommt überhaupt niemand. Vor allem auch die vielen Neuheiten nicht ins Licht der Aufmerksamkeit, die sich Hersteller und Designer im letzten Jahr ausgedacht haben. Doch trotzdem sah es Anfang März noch so aus, als hätten sich die Möbelproduktion und das Designjahr zumindest wieder in so etwas wie Normalität eingetaktet. Man hatte einen neuen Termin für den „Salone“ gefunden. Am 16. Juni soll es jetzt ersatzweise losgehen.

Besucher des Salone del Mobile.
Besucher des Salone del Mobile. (c) imago images / Independent Photo (via www.imago-images.de)

Die dicken Spezialausgaben der berühmtesten Designmagazine der Welt, „Wallpaper" etwa, mussten sich in zeitlicher Nähe neue Erscheinungsdaten suchen, genauso wie die Präsentationen und Presse-Previews. Optimistisch aktualisierten die italienischen Möbelhersteller ihre Einladungen auf die Messe-Stände und die begleitenden Events. Die meisten Möbellabels schickten Meldungen aus, dass die Produktion verlässlich weitergehe. Und die Neuheiten einfach noch ein wenig länger im Dunkeln der Schublade liegen bleiben müssten. Womit sich Neuheiten grundsätzlich nicht so sehr anfreunden können, schließlich will man von allen auch gesehen und wahrgenommen werden. Und so ein Designjahr war ja schon vor allen potenziellen Verschiebungen - es betrifft inzwischen alle Messen und Designveranstaltungen - kaum lang genug, um seine Neuheiten in irgendeiner Aufmerksamkeitsnische zu positionieren.

Doch seit Anfang März hat eine realistische Einschätzung den anfänglichen Optimismus abgelöst: Verschiedenste Möbellabels aus Italien haben Meldungen verschickt, in dem sie verkünden, dass sie nun doch ihre Showrooms geschlossen hätten und in vielen Fällen auch ihre Produktionshallen. Vor Anfang April wird kaum etwas „Neues“ die Produktionsstandorte verlassen. Und auch das, was man schon von früher kennt, wird noch ein paar Runden in der Warteschleife drehen müssen.

Bis man weiß, wer es wo jetzt überhaupt haben kann. Oder auch will. Die Möbel und die Desigern müssen sich mit ihren Neuigkeiten jetzt weit, weit hinten anstellen. Hinter all den News, auf die man viel dringender wartet. Das sich die gesamte Lage merklich entspannt.

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