Stilaltbauten

Hohe Räume, dicke Wände, schmucke Details

Ein repräsentatives Entree steht ganz oben auf der Liste von Altbauliebhabern.
Ein repräsentatives Entree steht ganz oben auf der Liste von Altbauliebhabern.(c) www.krischanz.at
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Für das Wohnen mit Flügeltüren verzichtet mancher auf Terrasse und Garage.

„Wien hat einfach ein besonders schönes Angebot im Altbau, das es im internationalen Vergleich so nicht gibt“, sagt Christian Sommer, Geschäftsführer von Engel & Völkers Commercial in Wien. „Davon sind auch viele deutsche Kollegen begeistert, in deren Städten es ja ebenfalls einen Altbaubestand gibt – aber Wien gehört einfach zu den schönsten.“ Ein Asset, das nicht nur der heimische Käufer schätzt, sondern auch die internationale Klientel, die sich im Luxussegment umschaut.

Regelgeschoß versus Dach

Wobei sich im ewigen Wettstreit „oberstes Regelgeschoß versus Dachausbau“ zwar grundsätzlich 50 Prozent der Käufer auf jeder Seite finden, unter den heimischen Käufern ist der Anteil der Altbauliebhaber aber größer als jener der Dachterrassenfans. „Dabei kommt es natürlich immer darauf an, wie der Dachausbau gestaltet ist“, weiß Sandra Bauernfeind, Geschäftsführerin von EHL Wohnen. Gibt es dort viele Schrägen und geringe Raumhöhen, punktet der Altbau mit seinen hohen Räumen darunter umso mehr, zumal für Dachgeschoße immer noch rund 20 Prozent mehr verlangt werden als für das schönste Regelgeschoß.

Dekorative Elemente wie Stuck sind bei Stilaltbauten gern gesehen.
Dekorative Elemente wie Stuck sind bei Stilaltbauten gern gesehen. (c) Sotheby's International Realty, Engel & Völkers Wien

Denn Raumhöhen gehören zu den wichtigsten Pluspunkten der imperialen Pracht: „Stilaltbauten mit vier Meter hohen Räumen sind ganz besonders gefragt“, weiß Roland Neuhauser, General Manager von Austria Sotheby's International Realty. Zumal sie automatisch mit einem anderen großen Trumpf daherkommen: entsprechend großen, weil hohen Fenstern. „Diese tragen natürlich zu dem ganz eigenen Flair von Altbauwohnungen bei“, sagt Sommer. Zu den anderen Must-haves in den schönen Gründerzeithäusern gehören außerdem selbstredend Flügeltüren und Parkettböden, zu den Nice-to-haves Stuckarbeiten, „am besten natürlich originale, die so gut erhalten sind, dass sie aussehen, als wären sie erst gestern angebracht worden“, sagt Neuhauser, der die Vorlieben der echten Altbaufans kennt. Zu diesen gehören aber auch Details wie originale oder zumindest hochwertig nachgefertigte Beschläge oder große Elemente wie prächtige Supraporten oder antike Kachelöfen. Wobei Letztere weniger der Wärmeerzeugung als vielmehr der Dekoration dienen.

Geschätzt: Dicke Wände

Für manche Kunden sind es aber auch die auf den ersten Blick gar nicht sichtbaren Aspekte der Stilaltbauten, denen sie großen Wert beimessen: „Dazu zählt definitiv die Stärke der Wände in den Altbauten“, weiß Sommer. Es ist der Wunsch nach absoluter, auch akustischer Privatsphäre. „Denn in Neubauten muss man ja häufig teamfähig sein“, fügt er hinzu.

Allein mit dem Glanz und der Diskretion der Vergangenheit ist es aber nicht getan, denn Kompromisse gehen die Käufer im Luxussegment bei Altbauten ebenso ungern ein wie bei allen anderen Objekten. Und die Bereitschaft dazu ist manchmal schon dadurch vollständig ausgeschöpft, dass man häufig auf eine Freifläche und einen Garagenplatz im Haus verzichten muss.

Großzügiger als an der Adresse Börseplatz 1 geht's im Altbau nicht.
Großzügiger als an der Adresse Börseplatz 1 geht's im Altbau nicht. (c) freeDIMENSIONS

In Sachen Komfort und Praktikabilität muss der Altbau daher alles bieten, was sich auch im Dachausbau darüber findet. Das beginnt bei den Grundrissen, die so adaptiert werden müssen, dass sie En-suite-Bäder bei den Schlafzimmern und begehbare Kleiderschränke ermöglichen. Ist das gelungen, darf alte Struktur aber durchaus noch erkennbar sein, wie Bauernfeind betont: „Stilaltbauten müssen nicht absolut effizient sein, dort geht es schließlich um repräsentatives Wohnen“, sagt die Maklerin. Zwar dürfe sich nicht ein Durchgangszimmer an das andere reihen, aber mit einem oder zwei entsprechenden Räumen könnten die Käufer gut leben. Und die Tatsache, dass die Küche manchmal abgetrennt und nicht immer Teil eines offenen Wohnkonzepts ist, sei vielen durchaus recht, wenn ein Caterer oder Koch kommt und seine Tätigkeit nicht für alle sichtbar ausübt.

Keine Kompromisse

Keinen Mittelweg gibt es dagegen bei allen Themen rund um die Bäder und Haustechnik. Hier muss technisch alles auf dem neuesten Stand sein, was bei der Fußbodenheizung beginnt und bei der Klimaanlage noch lang nicht aufhört – ganz im Gegenteil. Waren diese bisher eher ein Thema in den Dachausbauten und obersten Regelgeschoßen, sehen die Makler diese in Zukunft auch die unteren Etagen erobern. Heimische Käufern legen wegen der steigenden Temperaturen im Sommer zunehmend Wert darauf, und die internationale Klientel setzt eine ausgefeilte Klimatechnik ohnehin bei einer Luxuswohnung voraus – Altbau hin oder her. „In den obersten Stockwerken gehört eine Klimaanlage absolut dazu, im ersten oder zweiten Stock kommt es auf den Käufer an“, sagt Neuhauser. Außerdem geht ohne smarte Haustechnik im Stilaltbau nichts mehr: Historisch dürfen zwar die Stuckdecke und die Flügeltür sein, das Licht und die Heizung sollen sich aber bitte genauso über das Handy auf- und abdrehen lassen wie im Neubau. In den Bädern und der Küche sollte technische Perfektion herrschen, die sich durchaus – im Unterschied zu den anderen Räumen – in einer optischen Modernität ausdrücken darf. Was aber nicht ausschließt, dass mancher im Bad eine frei stehende Badewanne mit Löwenfüßen durchaus zu schätzen weiß.

Im Stiegenhaus und bei der Fassade ist die Moderne dagegen ein No-Go. Hier will die Altbau-Anhängerschaft alles so originalgetreu wie möglich. „Gerade der Eingangsbereich ist den Kunden in diesem Segment sehr wichtig“, betont Neuhauser. „Dieser wird als Statussymbol gehandelt, sowohl beim Gebäude als auch bei der eigenen Wohnung.“ Da dies den Bauträgern bewusst ist, würden sie entsprechend in diesen Bereich investieren, berichtet Bauernfeind: „Da wird, wenn möglich, der Originalzustand wieder hergerichtet, werden Fliesen nachgearbeitet und großer Wert auf ein schönes Entrée gelegt, weil man weiß, dass sich das auszahlt.“ Besonders gern gesehen sind schwere Stuckarbeiten, hölzerne Lifte mit geätzten Scheiben und große Luster, die die imperiale Pracht schon beim Betreten entsprechend inszenieren. „Dieser Bereich muss aus einem Guss sein und etwas Erhabenes haben“, ergänzt Sommer. „Eine schöne Wohnung und ein hässliches Haus – das geht nämlich gar nicht.“ 

Auf einen Blick

Kaum eine Stadt hat einen so schönen Altbaubestand wie Wien, und das wissen heimische wie internationale Käufer im Luxussegment zu schätzen. Nach dem Dachausbau – für den in der Stadt immer noch 20 Prozent mehr gezahlt werden – gilt das oberste Regelgeschoß eines Gründerzeithauses als die begehrteste und damit auch teuerste Einheit. Extrapunkte gibt es für einen Garagenplatz im Haus und einen Balkon oder eine Terrasse.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.03.2020)

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