Luftfahrt

Italien will Fluggesellschaft Alitalia verstaatlichen

APA/AFP/ANDREAS SOLARO
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Die Coronavirus-Krise wird nach Einschätzung von Branchenexperten zu einer riesigen Pleitewelle in der internationalen Luftverkehrswirtschaft führen. Die italienische Alitalia braucht Staatshilfe.

Italien greift den von akuten Einnahmeverlusten konfrontierten Fluggesellschaften unter die Arme. Im Rahmen des milliardenschweren Hilfspakets für die Wirtschaft ist die Einrichtung eines mit 600 Millionen Euro dotierten Fonds zur Unterstützung der schwer belasteten Luftfahrtbranche vorgesehen.

Damit sollen Fluggesellschaften für die wegen der Coronavirus-Krise erlittenen Einnahmeverluste entschädigt werden. Zur Alitalia-Rettung erlaubt die Regierung die Gründung einer neuen vom Wirtschaftsministerium kontrollierten Gesellschaft, unter deren Aufsicht die Airline gestellt werden soll.

De facto bedeutet dies, dass die Alitalia, für die der italienische Staat fast drei Jahre lang vergebens einen Käufer gesucht hatte, wieder unter staatliche Kontrolle gerät. Dabei hatte der Staat in dem vergangenen Jahr dem Ex-Monopolisten bereits Brückenkredite im Wert von 1,3 Milliarden Euro gewährt, um das Fluggeschäft weiterhin aufrecht zu erhalten.

Alitalias Insolvenzverwalter Giuseppe Leogrande betonte, dass das Verkaufsverfahren für die Fluggesellschaft weiterhin aufrecht bleibt. Morgen (Mittwoch) läuft die Frist für Interessenten zur Einreichung eines unverbindlichen Kaufangebots ab. Ziel der Regierung ist es, das Verkaufsverfahren bis Ende Mai zu beenden. Angesichts der Coronavirus-Krise ist es durchaus wahrscheinlich, dass die Verkaufsprozedur wieder einmal scheitert.

Die Regierung in Rom verteidigt ihren viel kritisierten Beschluss, weiter Geld in die Alitalia zu pumpen, die die Steuerzahler seit 2008 bereits neun Mrd. Euro gekostet hat. "Italien braucht eine nationale Fluggesellschaft, wie auch Alitalias Einsatz für die Rückführung unserer Mitbürger im Ausland in dieser Krisenphase bezeugt", sagte die italienische Verkehrsministerin Paola De Micheli laut Medienangaben.

Inzwischen schließen immer mehr italienische Flughäfen, da infolge der Coronavirus-Krise unzählige Flugverbindungen gestrichen werden mussten. So wurde der Terminal 1 des größten italienischen Flughafens - Rom Fiumicino - am Dienstag geschlossen. Sowohl die Binnenflüge, als auch die internationalen Verbindungen wurden stark eingeschränkt. Mehrere kleinere Flughäfen in Italien sind schon seit Tagen gesperrt.

Italien ist das am meisten von der weltweiten Coronavirus-Krise betroffene Land in Europa. Mehr als 2.100 Menschen starben an den Folgen der Infektion. Die Regierung vom Premier Giuseppe Conte hat ein 25-Mrd.-Euro-Hilfspaket beschlossen, das unter anderem den Aufschub von Schulden-Rückzahlungen für Unternehmen bis hin zu zusätzlichen Finanzierungen für das schwer belastete Gesundheitssystem vorsieht. Man arbeite zudem schon an einem zweiten Wirtschaftspaket, das im April beschlossen werden solle, verlautete in Rom.

US-Airlines fordern Millliarden-Hilfe

Wegen der Corona-Krise sind weltweit unzählige Flüge ausgefallen, Fluggesellschaften in aller Welt haben dadurch massive Einbußen. Die US-Fluggesellschaften etwa wollen Staatshilfen im Volumen von über 50 Milliarden Dollar (45 Milliarden  Euro) beantragen. Die rapide Ausbreitung des Virus belaste die Branche in beispielloser Weise, teilte die Lobbygruppe Airlines for America am Montag in Washington mit.

Es wäre das erste Mal seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001, dass die US-Luftfahrtbranche in größerem Stil Staatshilfen erhält.

Airlines for America fordert 25 Milliarden Dollar an sofortiger Nothilfe zur Liquiditätssicherung und mittel- bis langfristig weitere 25 Milliarden an Nullzins-Krediten oder Kreditgarantien für Passagierfluggesellschaften. Zusätzliche insgesamt rund acht Milliarden Dollar seien für Frachtfluganbieter nötig. Darüber hinaus macht sich die Organisation, die alle großen US-Fluglinien vertritt, für weitere Subventionen etwa in Form von Steuernachlässen stark.

AUA und Laudamotion bleiben am Boden

Die deutsche Bundesregierung sieht momentan keine Notwendigkeit für weitere Hilfen für die in der Corona-Krise extrem unter Druck stehende Flugverkehrsbranche. "Die Verstaatlichung von Unternehmen ist definitiv nicht das Ziel", sagte der Luftfahrtkoordinator der Regierung, Thomas Jarzombek, am Montag in Berlin auf eine Frage zur möglichen Beteiligung an der Lufthansa. Die bisher verabschiedeten Maßnahmen - ein ausgeweitetes Kurzarbeitergeld, Liquiditätshilfen und Steuerstundungen - reichten zunächst aus. Es werde später entschieden, ob es weitere Hilfen geben müsse.

Die Lufthansa-Tochter AUA und die Wiener Ryanair-Tochter Laudamotion stellen wegen des Coronavirus ihren Flugbetrieb gänzlich ein. Damit zeichnet sich ab, dass der Flugverkehr am Flughafen Wien in nächster Zeit auf beinahe null Passagiere zurückgehen wird. Die AUA hält zwei Flieger - einen Langstrecken- und einen Mittelstreckenjet - für Rückholflüge bereit.

Nachdem weltweit täglich neue Einreisestopps verhängt werden und die Nachfrage nach Flugreisen rapide zurückgeht, habe sich Austrian Airlines entschieden, den regulären Flugbetrieb ab Mittwochnacht, den 18. März 2020, vorübergehend einzustellen. Der vorerst letzte Flug mit der Flugnummer OS 066 werde am 19. März in den Morgenstunden aus Chicago in Wien landen, teilte die AUA am Montag zu Mittag mit.

Kurz nach der AUA hat auch der Wiener Billigflieger Laudamotion seinen Flugbetrieb eingestellt. Aufgrund der raschen Ausbreitung des COVID-19 Virus sowie der Ein- und Ausreisebeschränkungen der Regierungen werde das Lauda-Flugprogramm für den Zeitraum vom 16. März 24:00 Uhr bis 8. April 24:00 Uhr eingestellt, teilte die Fluglinie mit. Betroffene Kunden können umbuchen oder ihr Geld zurückfordern.

Berater warnen vor Pleitewelle

Die Coronavirus-Krise wird nach Einschätzung von Branchenexperten zu einer riesigen Pleitewelle in der internationalen Luftverkehrswirtschaft führen. Ende Mai dürften die meisten Airlines der Welt zahlungsunfähig sein, schreibt die Beratungsgesellschaft Capa am Montag.

Die Folgen des neuartigen Coronavirus und die vielfältigen Reiseeinschränkungen durch die nationalen Regierungen hätten bereits jetzt zahlreiche Gesellschaften in die technische Insolvenz getrieben.

Die Barreserven schmelzen angesichts der Flottenstilllegungen und nur noch weniger als halbvollen Flüge, hieß es. Jede neue Reisebeschränkung trockne die Nachfrage weiter aus und Normalisierung sei nicht in Sicht. Das Zentrum für Luftfahrt Capa kritisierte das unkoordinierte Vorgehen der nationalen Regierungen. So habe es US-Präsident Donald Trump beispielsweise unterlassen, die europäischen Regierungen vorab über das faktische Landeverbot für EU-Gesellschaften in den USA zu unterrichten.

Überleben werden nach Einschätzung der Analysten die großen Gesellschaften, die auf Unterstützung ihrer Heimatstaaten rechnen können. Neben den großen Anbietern aus China und den USA dürften das einige wenige Gesellschaften aus Europa sowie die Airlines vom arabischen Golf sein. Für viele private Anbieter sehe es deutlich schlechter aus.

(APA/AFP)

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