Coronakrise

Ifo-Index bricht ein - "Deutsche Wirtschaft steht unter Schock"

Vizekanzler Olaf Scholz schwört das Land bereits auf einen schwierigen Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie ein
Vizekanzler Olaf Scholz schwört das Land bereits auf einen schwierigen Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie einimago images/Christian Thiel
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Das Konjunktur-Barometer ist auf dem tiefstem Stand seit Juli 2009. Firmenchefs blicken extrem skeptisch nach vorn. "Vor uns liegen harte Wochen", sagt der deutsche Finanzminister und schwört das Land auf harte Zeiten ein.

Die von der Coronakrise ausgelöste Rezessionsangst in den deutschen Chefetagen ist laut Ifo-Institut noch größer als gedacht. Der am Mittwoch veröffentlichte endgültige Geschäftsklimaindex für März fiel von 96,0 Zählern im Februar auf 86,1 Punkte. "Dies ist der stärkste jemals gemessene Rückgang im wiedervereinigten Deutschland und der niedrigste Wert seit Juli 2009", sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest zu den aktualisierten Daten.

"Die deutsche Wirtschaft steht unter Schock." Die Führungskräfte blickten deutlich pessimistischer auf die Lage und ihre Geschäftsaussichten. "Insbesondere die Erwartungen der Unternehmen verdüsterten sich wie nie zuvor."

Auf Basis vorläufiger Zahlen hatten die Münchner Ifo-Forscher vorige Woche bei der Umfrage unter rund 9.000 Managern einen Wert von 87,7 ermittelt. "Es ist davon auszugehen, dass es mindestens zwei Quartale lang eine schwere Rezession geben wird", sagte Ifo-Konjunkturexperte Klaus Wohlrabe im Reuters-Interview. "Es kann im Gesamtjahr einen Einbruch beim Bruttoinlandsprodukt zwischen 5 und 20 Prozent geben, je nach Länge des Shutdowns."

Diesmal seien vor allem die Dienstleister betroffen, sagte LBBW-Chefvolkswirt Uwe Burkert. Aber auch für die Industrie könnte es noch schlimmer kommen. "Wir bewegen uns in Dimensionen wie in der Finanzkrise, eher noch etwas schlechter", betonte der Ökonom. "Der März war eine Katastrophe, der April ist bisher vor allem eine Drohung, frühestens der Mai könnte wieder ein Versprechen werden."

In der Industrie fiel der Index auf den niedrigsten Stand seit August 2009 - zugleich der stärkste Rückgang seit der Wiedervereinigung. "Der Rückgang der Erwartungen ist mit Blick auf 70 Jahre Umfragen in der Industrie historisch einmalig", sagte Ifo-Chef Fuest. Viele Unternehmen hätten Produktionskürzungen angekündigt. Im Dienstleistungssektor ist der Geschäftsklimaindikator so stark gefallen wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen 2005. Im Handel brach die Stimmung ebenfalls ein. Die Erwartungen stürzten auf den niedrigsten Wert seit der Wiedervereinigung. "Groß- und Einzelhandel sind gleichermaßen stark negativ getroffen." Positive Ausnahmen seien Lebensmittel- und Drogeriemärkte. Der Ausblick der Baubranche habe sich deutlich verschlechtert.

Die Viruskrise wird laut Ifo-Institut hierzulande Produktionsausfälle in Höhe von Hunderten von Milliarden Euro auslösen und den Arbeitsmarkt wie auch den Staatshaushalt erheblich belasten. Je nach Szenario dürften Kosten von 255 Milliarden Euro bis 729 Milliarden Euro auf Deutschland zukommen. Vor allem im zweiten Quartal rechnen Ökonomen mit einem Einbruch der Wirtschaftskraft.

Finanzminister wirbt für Hilfspaket

Der deutsche Finanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz schwört das Land bereits auf einen schwierigen Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie ein. "Vor uns liegen harte Wochen", sagte Scholz am Mittwoch im Bundestag. Die Regierung mache alles, um die Folgen der Krise abzumildern. "Dafür gibt es kein Drehbuch."

Die jetzige Krise sei ohne Vorbild, eine schicksalhafte Herausforderung für die ganze Menschheit. Deswegen stehe Deutschland auch an der Seite seiner europäischen Partner. Italien und Spanien sind unter den Ländern, die am stärksten von der Pandemie betroffen sind.

Das Kabinett hatte am Montag ein Hilfspaket im Volumen von rund 750 Milliarden Euro beschlossen. Darin vorgesehen ist ein Nachtragsbudget von 156 Milliarden Euro, der komplett über neue Schulden finanziert werden soll. "Das ist eine gigantische Summe", sagte Scholz, fast die Hälfte eines normalen Haushalts. Der SPD-Politiker verwies aber auf die "solide" in den vergangenen Jahren Haushaltspolitik. "Wir können uns das leisten." Trotzdem seien die aktuellen Summen nicht aus den Rücklagen zu stemmen.

Scholz bat den Bundestag um Unterstützung, in dieser Ausnahmesituation von der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse abweichen zu dürfen. Darüber soll am Nachmittag entschieden werden. Notwendig ist dafür die sogenannte Kanzlermehrheit - 355 Stimmen der insgesamt 709 Mitglieder des Bundestages. Diese gilt aber als sicher, weil auch weite Teile der Opposition Unterstützung zugesagt haben. Am Freitag muss dann auch noch der Bundesrat (Länderkammer) zustimmen.

Nicht das letzte Paket

"Es wird nicht das letzte Paket sein, das wir hier beschließen", sagte Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus. FDP, Grüne und Linke versprachen trotz Bedenken bei vielen Details, die Regierung zu unterstützen. "Jetzt ist die Stunde des Staats", so FDP-Chef Christian Lindner. Auch AfD-Fraktionschef Alexander Gauland sagte für die größte Oppositionsfraktion zu, sie werde den Hilfsprogrammen "weitgehend zustimmen", wenn sie temporär und auf die jetzige Notlage beschränkt blieben.

Neben dem Nachtragsbudget ist ein Wirtschaftsstabilisierungsfonds geplant, der staatliche Beteiligungen an Unternehmen ermöglicht sowie Garantien für Firmen vorsieht, damit sich diese am Kapitalmarkt weiter Geld besorgen können. Außerdem soll die Förderbank KfW gestützt werden. Dieser Rettungsschirm hat ein Volumen von zusammen 600 Milliarden Euro.

(APA/Reuters/dpa)

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