Coronakrise

US-Präsident zieht Schweden als Negativbeispiel heran

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Donald Trump nahm das ferne skandinavische Land mit dessen nicht unumstrittenen Umgang mit der Pandemie als Beleg dafür, was dort schlechter laufe als in den Vereinigten Staaten.

US-Präsident Donald Trump hat mit Aussagen über die Corona-Situation in Schweden für Irritation ebendort gesorgt. "Jetzt wird über Schweden geredet. Schweden leidet außerordentlich, ihr wisst das, oder?", sagte Trump am Dienstagabend (Ortszeit) im Weißen Haus auf die Frage, welchen Rat er Ländern gebe, die nicht auf eine weitestgehende Reduzierung von Sozialkontakten setzten.

"Schweden macht diese ,Herde', sie nennen es ,die Herde'", fügte er hinzu und meinte damit wohl, dass Schweden zumindest bisher bewusst daran arbeite, eine Herdenimmunität gegen das neuartige Coronavirus zu erreichen.

Darunter versteht man - mangels verfügbarer Impfung - das Inkaufnehmen eines großen Anteils der Bevölkerung, der sich Corona einfängt, wegen der Kalkulation, dass es doch die allermeisten überleben, hernach immun sind, und dadurch die Verbreitung des Virus auf noch ungeschützte Teile des Volkes stark erschwert wird. Letzteres ist darin begründet, dass die Wahrscheinlichkeit, dass eine infizierte Person, während sie infektiös ist, noch ungeschützte Personen ansteckt, entsprechend sinkt, je mehr bereits Immune es um sie herum in der Bevölkerung (Herde) gibt. Die Herdenimmunität bei Covid-19 wird derzeit mit 60 bis 70 Prozent Durchseuchung angesetzt.

Die Sache mit der Freizügigkeit und der Herde

Fakt ist: Auch die Schweden setzen im Prinzip darauf, Sozialkontakte zu reduzieren, gehen aber mit freizügigeren Maßnahmen vor als die meisten anderen Länder. Die Gesundheitsbehörde hat auch vor längerem abgestritten, auf Herdenimmunität hinzuarbeiten, obwohl das allerdings sehr wohl danach aussieht, auch von Fachleuten angeraten wird und vom höchsten Infektionsmediziner des Landes auch indirekt bestätigt wird.

"Ja, das kann man nicht ernst nehmen", sagte der nicht unumstrittene Staatsepidemiologe, Anders Tegnell, zwar zu Trumps Aussagen am Mittwoch im schwedischen Morgenfernsehen. Alle Länder litten mehr oder weniger unter der Krise. "Es ist natürlich sehr schwierig in Schweden, nicht zuletzt im Gesundheitswesen. Aber verglichen mit der Situation in New York funktioniert es in Schweden weiter ziemlich gut."

Aber die Sache mit der Herde? "Ich weiß nicht, was er damit meint, aber wir, die mit Infektionskrankheiten arbeiten, wissen ja, dass sich dieser Typ von Krankheit weiter ausbreiten wird, bis wir eine Immunität in der Bevölkerung erreicht haben", sagte Tegnell. "Einen anderen Weg, um es zu stoppen, gibt es nicht." Letztlich meint er also doch das (unvermeidbare) Ziel Herdenimmunität, ob durch überlebte Infektionen oder künftige Impfungen.

Ein Zahlenvergleich: Der US-Bundesstaat New York verzeichnete von Montag auf Dienstag 731 neue Todesfälle von coronainfizierten Menschen. In Schweden sind seit Beginn der Pandemie insgesamt knapp 600 Personen mit Covid-19-Erkrankung gestorben.

Hohe Todesrate im liberalen Land

Allerdings ist der bekannte Todesfallsanteil in Schweden bisher weit höher als in vielen anderen Ländern: Von bis Mittwochvormittag bekannten rund 7900 Coronapatienten starben rund 620, das ergibt eine vordergründige Mortalitätsrate (also ohne Berücksichtigung der Dunkelziffer nicht erkannter und registrierter Fälle!) von 7,9 Prozent. In Österreich, wo strengere Maßnahmen herrschen, gab es zur selben Zeit viel mehr Fälle (ca. 12.700), aber „nur" 273 Tote, eine Sterberate von 2,1 Prozent. Beispiele für weitere Sterberaten in Staaten mit strengen Maßnahmen: Deutschland (1,87 Prozent), Polen (2,72), Australien (0,8), Kanada (2,1).

APA/AFP/JONATHAN NACKSTRAND

Es ist nicht das erste Mal, dass Trump teils ungelenk formulierte Kritik an Schweden äußert. "Schaut, was letzte Nacht in Schweden passiert ist", hatte er etwa im Februar 2017 auf einer Kundgebung in Florida zu (tatsächlich massiv existenten) Problemen mit gewissen Einwanderersegmenten in dem EU-Land gesagt - ohne dass die Schweden indes wussten, was da vorgefallen sein soll, denn es gab an dem Vorabend zumindest keine registrierten Vorfälle.

Die Probleme gibt es schon

Allerdings sind die Probleme in vielen migrantisch dominierten Vierteln von Städten wie Malmö und Stockholm hinsichtlich Kriminalität, sozialer Konflikte, Arbeitslosigkeit und kultureller Parallelgesellschaftsbildung tatsächlich manifest und schon lange nicht mehr zu leugnen.

Im vergangenen Sommer hatte sich Trump zudem öffentlich für die Freilassung des damals wegen Körperverletzung in U-Haft sitzenden US-Rappers Asap Rocky eingesetzt. Regierungschef Stefan Löfven musste ihm damals die Unabhängigkeit der schwedischen Justiz erklären.

(APA/DPA/red.)

(APA/DPA)

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