Nationalrat

Opposition bemängelt "Bürokratie­dschungel, der seinesgleichen sucht"

Wirtschaftsministerin Schramböck im Nationalrat.
Wirtschaftsministerin Schramböck im Nationalrat. (c) APA/ROBERT JAEGER
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Die Wirtschaftsministerin setzt auf ein „rot-weiß-rotes Comeback“, die Opposition ortet indes eine türkis-grüne „Überheblichkeit“ - insbesondere gegenüber kleinen Unternehmen.

Von einem „rot-weiß-rotem Comeback“ über „Angstmacherei“ bis hin zu einem „Schuss ins Herz“: Die Nationalratssitzung am Dienstag war vor allem eins: aufgeheizt. Schon in der „Aktuellen Stunde“, die die ÖVP einberufen hatte, um über Coronahilfen für die Wirtschaft zu diskutieren, ereiferte sich die Opposition über das türkis-grüne Vorgehen, allen voran darüber, dass trotz anders lautender Ankündigungen immer noch enorm viel Bürokratie vorhanden sei. Weiters wurde der Regierung - insbesondere der ÖVP - „Überheblichkeit“ gegenüber kleinen, um ihre Existenz bangenden Unternehmen unterstellt. Ähnlich emotional ging es sodann bei der Debatte über den Umgang mit Risikogruppen weiter.

Der Reihe nach: „Auch wenn der Tunnel länger ist, als wir gemeinsam wünschen, es gibt ein Licht am Ende des Tunnels", sagte Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) zu Beginn der „Aktuellen Stunde". Aufgabe sei es, die Voraussetzungen zu schaffen, die den Unternehmen wieder Umsätze aus eigener Kraft und damit ein „rot-weiß-rotes Comeback" ermöglichten. Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer nannte als Priorität, die Menschen jetzt vor Arbeitslosigkeit und Armut zu schützen. Längerfristig brauche es dafür aber nicht nur die Soforthilfen, sondern ein radikales Umdenken, sah sie auch die Unternehmen selbst gefordert: „Sichere Arbeitsplätze und nachhaltiges Wirtschaften sind zwei Bereich, die verknüpft werden müssen", sagte Maurer.

FPÖ fordert 1000-Euro-Gutschein für alle

Deutlich weniger zufrieden zeigte sich die Opposition. FPÖ-Mandatar Erwin Angerer sprach von „monatelangem Coronawahnsinn" und einem „Schuss ins Herz" der heimischen Unternehmen. „Das Einzige, was Sie in den letzten Wochen gemacht haben, ist Angst geschürt“, kritisierte er. Die Firmen würden hängen gelassen: „Wenn einem Unternehmen das Wasser bis daher steht, braucht er nicht einen Schirm, da braucht er einen Rettungsring", riet er dazu, jedem Österreicher einen 1000-Euro-Gutschein auszuhändigen.

Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger unterstrich ihrerseits, dass eine „Politik der Angst oder mit der Angst" nicht angebracht sei. Anstelle von Praxistauglichkeit würden sich die türkis-grünen Wirtschaftshilfen vor allem durch einen „Bürokratiedschungel, der seinesgleichen sucht“ auszeichnen. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner ortete ebenfalls weiteren Handlungsbedarf: „Es ist der Staat, nicht der freie Markt, der genau in dieser größten Jahrhundertkrise den Menschen und den Unternehmern Schutz und Sicherheit gibt vor dem Fall ins nichts, gesundheitlich, sozial und wirtschaftlich.“ 

Anschober: Pandemie „kleinzureden, das verstehe ich nicht“

Auf die „Aktuelle Stunde“ folgte die Debatte zum Thema Risikogruppen. Konkret soll per Gesetzesnovelle geklärt werden, dass sie daheim bleiben können und dem Dienstgeber die Kosten dafür übernommen werden. Das soll auch für Mitarbeiter in der kritischen Infrastruktur und geringfügig Beschäftigte gelten. Befristete Pensionen, Kranken- und Rehabilitationsgeld sollen weiter bezogen werden, auch wenn der Status wegen der Pandemie nicht geprüft werden könne.

Die Opposition nutzte die Debatte allerdings vor allem dafür, sich dem Thema „Angstmache“ zu widmen. Der Hintergrund: Am Montag war via Ö1 das  Protokoll einer Sitzung von Regierung und Experten vom 12. März publik gemacht, auf das sich FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch sogleich bezog. Sie habe schon länger kritisiert, dass die Regierung davor warnte, dass „alle unsere Lieben“ sterben könnten, meinte sie. Diese Wortwahl sei eine „bewusste Angstmache“, meinte sie.

Auch Gerald Loacker von den Neos kritisierte die Unsicherheit, die derzeit im Land herrsche - bezog sich aber nicht auf die Protokolle, sondern darauf, dass die Regierung sich in Sachen Risikogruppen sechs Wochen Zeit gelassen habe. Außerdem gebe es eine äußert schlechte Datenlage im Gesundheitsbereich, die ihren Beitrag zur Verunsicherung leiste: „Die Sozialversicherung soll anhand der verschriebenen Medikamente entscheiden, ob man Risikopatient ist oder nicht - das kann sie aber nicht“, ortete er Handlungsbedarf.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) zeigte sich davon unbeeindruckt: 212.000 Menschen seien an der Pandemie gestorben, „das kleinzureden verstehe ich nicht“, pochte er darauf, an einem Strang zu ziehen - etwa mit der Freistellung der Risikopatienten, zu denen er „Ältere, Ältere mit schweren Vorerkrankungen, Erwerbstätige mit besonders schweren Vorerkrankungen“ sowie Erwerbstätige, die „mitten in diesen drinnen sind“ zählte. In Summe seien das 90.000 Personen, denen man mit der Novelle „ein Angebot machen“ könne.

(hell/APA)

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