Corona-Briefing

Van der Bellen hielt eine Rede, Sebastian Kurz nicht, Werner Faymann feiert Geburtstag

„Das alles war und ist wirklich verdammt hart“ - der Bundespräsident in seiner gestrigen Fünf-Uhr-Tee-Videoaufzeichnung.
„Das alles war und ist wirklich verdammt hart“ - der Bundespräsident in seiner gestrigen Fünf-Uhr-Tee-Videoaufzeichnung.APA/BUNDESHEER/PETER LECHNER
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Das ist ein Post-Lockdown-Briefing. Dieser fühlte sich irgendwie wie ein Flashback in die 70er-Jahre an.

Guten Morgen! Keine Sorge, das ist nicht der buchstabengewordende Vorreiter der zweiten Covid-Welle. Heute ist Montag, wir lockern uns weiter, ich schreibe heute wieder einmal. Geschäfte, Maturanten, Opposition und öffentliche Verkehrsmittel gleiten spätestens heute in den Normalzustand. Das ist also ein Post-Lockdown-Mail. Die Ansteckungszahlen sind weiter niedrig, Optimismus wäre angebracht. Wirtschaftlich schaut es zugegebenermaßen düster aus, aber die Hoffnung lebt, dass sich die Wirtschaft in „V“-Form oder zumindest – nicht ganz so optimistisch - in der „U“-Variante erholt, also wir eine längere Talsohle haben. Ich halte ja die „W“-Zukunft der Konjunktur für plausibel, Stichwort zweite Welle. Aber vermutlich gefällt mir nur der Buchstabe, auf den manche Leser gerne vergessen, die Nowak ostentativ lieber mit „v“ schreiben.

Leser P, glücklicherweise einer der wenigen, der dieser Tage sein Abo kündigt, schreibt uns: „Warum können Sie Meinungsberichte nicht von reinen Tatsachenberichten trennen? Schade. Wenn sich dann noch Ihr Chefredakteur (!) in einem Leitartikel Anfang April über die Rede unseres Bundespräsidenten amüsiert lustig macht, da hatte ich genug. Das ist respektlos und kein Niveau! Ich bin Abonnent der NZZ und da ist ein merklicher Qualitätsunterschied.“ Zu der komme ich dann dieser Tage noch.

Ich muss festhalten, dass Amüsement über Alexander Van der Bellen tatsächlich nicht angebracht ist. In seiner sonntäglichen Fünf-Uhr-Tee-Videoaufzeichnung war er einfach gut. Er kann nämlich in ein und derselben Ansprache die Ebenen wechseln. Da tritt etwa der kumpelhafte Lehrer auf: „Das alles war und ist wirklich verdammt hart.“ Die in Österreich lebenden Menschen hätten in den vergangenen sieben Wochen mit Isolation, Einschränkung der persönlichen Rechte, weitgehendem Stillstand des kulturellen Lebens und der Wirtschaft „eine bittere Medizin schlucken mussten“. Nun könne man „vorsichtig optimistisch sein, denn die Medizin wirkt“.

Schnell wechselt er in den Heinz-Fischer-Modus und zitiert tatsächlich die gute alte Bundeshymne, die „definiert, wie wir sind, wenn es wirklich ernst wird: ‚Mutig in die neuen Zeiten, frei und gläubig sieh uns schreiten. Arbeitsfroh und hoffnungsreich.‘“ Und wie ein altgriechischer Redner knüpft er dann an seine alte Scham-Passage aus seiner schon legendären Ibiza-„So-sind-wir-nicht.“-Rede an, indem er das Bild vom guten und fast edlen Österreichers in der Covid-Krise zeichnet: „So sind wir. Und deshalb kriegen wir das hin.“ Was wiederum ein charmantes Zitieren der täglichen Abschlussworte von ORF-Zib1-Moderatorin Nadja Bernhard war. Ein Bundespräsident wie ein Verfassungsteddybär. Und bitte behalten Sie doch Ihr Abo!

Van der Bellen formulierte auch, dass wir einst auf diese Monate genau schauen würden. Stimmt schon wieder. Irgendwie waren die vergangenen Wochen wie ein Flashback in die 70er-Jahre: Man lauschte Politikern und dem ORF, als gäbe es kein anderes Programm, nicht nur Tipps für die Freizeit und Alltagsberichte hatten einen pädagogischen Unterton, der Kanzler flößte Vertrauen ein, man hörte auch nicht so genau hin, die Sozialpartner und Wissenschaftler regelten das schon. In der vermeintlichen Krise schimmerte der mögliche Fortschrittsglaube durch: Es geht wieder bergauf. Jetzt kommen demnach dann die 80er und ein bisschen Punk, danke.

Der Übergang zum Geburtstagskind des Tages fällt mir jetzt nicht ganz leicht: Werner Faymann wird heute 60 und gibt uns wieder kein Interview. Keinen anderen Politiker haben die Kollegen und ich so gerne verhöhnt und die Krone so geliebt, bevor sie Sebastian Kurz als Kanzler kennenlernten. Laut aktueller Kurzzeitgeschichte hat Faymann dem Land als Kanzler in der schweren Finanzkrise wesentlich weniger geschadet denn seiner eigenen Partei, deren Krise bis heute andauert. Manchen meinen sogar, Faymann habe das 2008 besser geschupft als damals von vielen kritisiert. Zwei subjektive Einschätzungen: Im Gegensatz zu seinem Nachfolger und vielen seiner Kollegen konnte Faymann professionell mit Kritik und Gegenpositionen umgehen, blieb und bleibt immer gelassen und höflich. Und: Seit seinem Rücktritt hat Faymann nicht einmal einen Halbsatz zur Innenpolitik oder dem Zustand der SPÖ veröffentlicht. Das ist entweder Selbstdisziplin oder Fairness oder beides, wie man das sonst in der Politik nicht kennt.

Ob Pamela Rendi-Wagner diese Woche auch feiern wird, wenn endlich die Ergebnisse der SPÖ-Mitgliederbefragung öffentlich werden, kann ich nicht sagen. Aber wie ich von einem roten Orakel mit Reputation und Delphi-Kenntnis höre, wird es keinen Grund für einen möglichen Rücktritt für Rendi-Wagner geben. Nach den vergangenen Wochen muss man aufpassen, nicht übermütig zu werden und sich zu weit aus dem Fenster zu lehnen.

 Ja, Sie haben mir auch ein wenig gefehlt. Auf bald.

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