Corona Briefing Tag 39

Wieviel Optimismus geht, wie China EU-Diplomaten behandelte, wie deutsche Immobilienbesitzer Mallorca drohen

(c) REUTERS (Lisi Niesner)
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Über erfreuliche und weniger erfreuliche Nachrichten. Etwa jene, dass es mir heute nicht gelingt, lustig zu sein. Und uns das Virus wohl noch eine lange Zeit beschäftigen wird.

Guten Morgen!

Mehrere Leserinnen versuchten mir in den vergangenen Tagen wohl in Kenntnis meiner journalistentypischen Eitelkeit Kritik in Form von Komplimenten nahezubringen. Diese frühen Zeilen wären wirklich unterhaltsam und ein schöner, da dichter und doch leiser Frühstücksbegleiter, aber leider doch sehr deprimierend, hieß es da. Ich antworte darauf wahrheitsgemäß empört und tief verletzt, dass das weniger an mir denn am Thema liege. Männer-Mails, die mit „Ich befürworte, dass wir unsere Alten und Kranken schützen, aber…“ beginnen, beantworte ich übrigens nicht mehr.

Daher heute gute Stimmung ganz ohne Sebastian Kurz und seinem fidelen Trio: Westeuropa könnte nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bei der Coronavirus-Ausbreitung über den Berg sein, hieß es gestern. „Bei den Epidemien in Westeuropa sehen wir Stabilität oder einen absteigenden Trend“, sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus. (Komplizierte Namen gehören zur WHO wie die Kritik des US-Präsidenten.) Aber: Bei der Aufhebung von Maßnahmen wie Ausgangsbeschränkungen, die die Ausbreitung des Virus erfolgreich verlangsamt hätten, sei Vorsicht geboten, warnte Tedros. „Epidemien können leicht wieder aufflammen“, sagte er. Deshalb müssten neue Infektionen weiter unbedingt früh entdeckt, Infizierte isoliert und mit Infizierten in Kontakt gekommene Menschen weiter unter Quarantäne gestellt werden. Die Lage in Osteuropa, in Afrika, Zentral- und Südamerika sei besorgniserregend, sagte Tedros: „Die meisten Länder sind bei der Epidemie weiterhin im frühen Stadium.“ Zwar hätten drei Viertel aller Länder Pläne entwickelt, wie sie mit einem Ausbruch umgehen.

Aber weniger als die Hälfte habe Pläne für die Verhinderung weiterer Ansteckungen und adäquate Hygienevorschriften oder Informationskampagnen. In einigen Ländern, die früh betroffen waren, verbreite sich das Virus wieder. „Keine Frage: Es liegt noch ein langer Weg vor uns. Das Virus wird uns noch eine lange Zeit beschäftigen“, sagte Tedros. Ok, schnell weiter.

Erinnern Sie sich noch an Semperit, den Reifen-Erzeuger aus Österreich, der es leider am Weltmarkt nicht ganz leicht hatte? Nun, die bekommen heute bei uns einmal eine gute Schlagzeile: Unter dem Titel „Corona-Wende bei Semperit“ schreibt Madlen Stottmeyer heute bei uns, dass das Unternehmen aufgrund der Coronakrise neue Prioritäten setze. Damit sorgt die aktuelle Krise beim börsenotierten Konzern für einen kompletten Strategiewechsel. Noch im März war klar, dass sich Semperit vom wenig lukrativen Geschäft mit Medizin-Handschuhen trennt. Eifrig wurde nach potenziellen Käufern gesucht. Die Covid-19-Pandemie macht alles anders. Und ein Unternehmen, das Medizin-Handschuhe produziert, ist plötzlich von nationalem Interesse. 
Die Semperit-Verkaufspläne waren auch vor der Coronakrise höchst umstritten. Schließlich macht die Herstellung von Untersuchungs- und OP-Handschuhen ein Drittel des Konzernumsatzes aus. Auch wenn der Löwenanteil der Produktion in Malaysia liegt, gegründet wurde die Handschuhfabrik im niederösterreichischen Wimpassing. Aktuell liefert Semperit 60 Millionen Schutzhandschuhe an die Republik für medizinisches Personal. Die erste Tranche wurde bereits geliefert und über das Rote Kreuz verteilt. „In der aktuellen Phase steht die Liefersicherheit für Österreich im Vordergrund“, heißt es. Ganz aufgegeben sind die Verkaufspläne aber offenbar nicht. Aufgrund der aktuellen Ereignisse werde sich „die allfällige Umsetzung der strategischen Grundsatzentscheidung zur Trennung vom Medizingeschäft verzögern“.

Nicht ganz so erfreulich klingen die jüngsten Nachrichten, die Christian Ultsch recherchiert hat: China hielt Dutzende Botschaftsangehörige nach Einreise in Hotelzimmern fest.

In ganz China gibt es nur noch einen Bezirk, den die Behörden zuletzt offiziell als Hochrisikogebiet einstufen: das Pekinger Diplomatenviertel Chaoyang. Das fügt sich in die Propaganda der kommunistischen Führung, die das heldenhaft besiegte Coronavirus nun als Gefahr von außen darstellt – eingeschleppt von Ausländern. Importierte Neuinfektionen gehen zwar fast ausschließlich auf das Konto zurückkehrender Chinesen, doch Fremde eignen sich besser als Sündenböcke. Zum Handkuss kamen Recherchen der „Presse“ zufolge dabei auch europäische und internationale Botschaftsangehörige. Das Drama begann am 23. März. Es war ein krasser Verstoß gegen die Diplomatenkonvention, den man lang unter der Decke hielt. Mehrere Dutzend Inhaber von Diplomatenpässen wurden unmittelbar nach ihrer Ankunft in China gegen ihren Willen in oft Hunderte Kilometer weit entfernte Städte verfrachtet. Dort blieben sie bis zu zwei Wochen in Hotels eingesperrt. Sie durften nicht einmal ihre Zimmer verlassen. Drei Mal pro Tag stellte Hotelpersonal in voller Schutzmontur Essen vor die Tür. Betroffen waren Konsuln, Gesandte, Angehörige von Diplomaten, auch viele Kinder aus Deutschland, Frankreich, Finnland, Slowenien und etlichen anderen Staaten. Höchste europäische Regierungsstellen intervenierten, doch zunächst halfen keine Argumente. Selbst Ausländer, die sich vor ihrem Abflug schriftlich verpflichtet hatten, sich nach ihrem Eintreffen in China vierzehn Tage lang freiwillig in ihren eigenen vier Wänden aufzuhalten, verschwanden für bis zu zwei Wochen in einem der Quarantänequartiere in den zwölf „Einreiseschleusen“, die das chinesische Regime am 22. März festgelegt hatte. Besonders hart und unerwartet traf es die ersten Ankömmlinge unmittelbar nach dem Inkrafttreten der neuen Regeln. Erst nach einem gemeinsamen Protest der EU am 9. April beruhigte sich die Situation. Dem Vernehmen nach durften zuletzt europäische Diplomaten einreisen, wenn sie sich zu einer zweiwöchigen Heimquarantäne verpflichtet hatten. Prinzipiell gilt jedoch, dass die Einreise von Diplomaten nach China bis 15. Mai unerwünscht ist.

Aber um an dieser Stelle optimistisch zu bleiben: Als politische, wirtschaftliche, diplomatische und natürlich auch militärische Großmacht wird Europa entschlossen reagieren und sich derartige Übergriffe nicht gefallen lassen. Ganz, ganz sicher.

Jetzt wurde es wieder zynisch. Leider könnte das auch auf den folgenden Bericht von Matthias Auer zutreffen: Stand vor einem Jahr noch der weltweite Kampf gegen den Klimawandel ganz oben auf der (medialen) Hitliste, so wird der Reduktion der Treibhausgase heute viel weniger Aufmerksamkeit geschenkt. Dabei ist es nicht so, dass hier nichts passieren würde: Am Mittwoch wurde etwa bekannt, was Bund und Länder in Österreich unternehmen wollen, um die gesetzlich erlaubten CO2-Höchstgrenzen nicht wie in den Jahren 2017 und 2018 zu überschreiten. Das ernüchternde Ergebnis: relativ wenig. Die Verhandlungen wurden notwendig, weil Österreich vor drei Jahren erstmals mehr Kohlendioxid emittiert hatte als vorgesehen. Das Klimaschutzgesetz sieht für diesen Fall vor, dass Bund und Länder möglichst rasch konkrete Maßnahmen vorlegen müssen, wie die Emissionen wieder gesenkt werden können. Mit dem nun veröffentlichten Bericht kommt Österreich dieser Verpflichtung nach und schreibt eine Liste an Maßnahmen fest. Vom Verbot der Plastiksackerl über das Aus für Tempo 140 auf den Autobahnen bis zu Radfahrer-Motivationskampagnen und der Einführung des Digitalen Amtes findet sich dort so ziemlich alles, was in den vergangenen Jahren auch nur im Entferntesten mit Klimaschutz zu tun hatte. Das große Problem: Was diese Vorhaben dem Klima eigentlich gebracht haben oder noch bringen sollen, hat sich offenbar niemand ausgerechnet. „Da nur wenige der Maßnahmen quantifiziert wurden, kann auf Basis der vorliegenden Informationen keine konkrete Einschätzung zur Wirkung der Maßnahmen und ihrem Beitrag zur Zielerreichung bis 2020 getroffen werden“, heißt es wörtlich im Bericht. Ehrlich: Das will ich einfach nicht so glauben, ich werde Ihnen weiter dazu schreiben.

Sie merken schon, ich bin heute einfach nicht lustig.

Armin Wolf trägt jetzt einen Bart.

Vielleicht ist es aber diese Beobachtung aus Deutschland beziehungsweise den Balearen von Spiegel online: „In der Coronakrise haben sich weltweit Gebiete und Staaten abgeriegelt, viele lassen auch Zweitwohnungsbesitzer nicht mehr rein. So auch Mallorca, wo zahlreiche Deutsche Wohnungen und Häuser haben. Nun gibt es Zwist: Dutzende von deutschen Immobilienbesitzern haben mit Briefen an die Regionalregierung der Baleareninsel für Unruhe gesorgt.“

Und weiter: Sie, die Deutschen, bestehen in den Briefen darauf, trotz der Corona-Einschränkungen auf die spanische Insel gelassen zu werden und Zugang zu ihren Zweit- oder Urlaubswohnsitzen zu bekommen, wie spanische Medien unter Berufung auf die Regionalregierung der Balearen berichten, manche wären „drohend“. Insgesamt erhielt die Regionalregierung in Palma nach eigenen Angaben rund 200 Briefe sehr ähnlichen Inhalts. Darin hieß es, man habe „ernste Zweifel an der Rechtssicherheit in Spanien". Die Ministerpräsidentin der Balearen, wurde aufgerufen, das „Vertrauen der Investoren nicht zu zerstören" und beim spanischen Regierungschef Pedro Sánchez darauf hinzuwirken, dass die Balearen von der angekündigten Verlängerung der Ausgangssperre bis zum 9. Mai ausgenommen werden. Armengol wies die Forderung in ihren Antwortschreiben zurück.“ Jetzt darf ich ganz unschuldig fragen: Was ist mit den deutschen Zweitwohnbesitzern in Kitzbühel? Sind die einfach mit dem Ischgl-Ticket eingereist? Schreiben die keine Briefe? Ist ihnen Kitzbühel nicht so wichtig?

Und noch wichtiger: Warum wehren sich die Österreicher mit ihren Häusern auf Ibiza nicht? Wie? Damit will keiner in die Medien kommen? Moment, Heinz-Christian Strache hatte immer nur gemietet. Anders als etwa Wolfgang-der-Pate-Fellner. Zu dem morgen mehr.

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