Aufzeigen, aber nicht vernadern

Manuela Kohl
Manuela Kohl(c) DDr. Manuela Kohl, Andreas Amsüss (Fotograf)
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Porträt. Compliance-Regeln geben Mitarbeitern Orientierung darüber, was im Bereich des Erlaubten ist, Transparenz erkläre das Warum, sagt TÜV-Chefjuristin Manuela Kohl.

Grundsätzlich würde man ja meinen, es gebe ohnehin schon genug staatliche Normen, die vorschreiben, was zu tun und zu unterlassen wäre. Und so sehr die Regulierungsflut kritisiert wird, so wichtig ist vor allem größeren Unternehmen, sich ihre eigenen Compliance-Vorschriften samt Compliance-Organisation zurechtzulegen.

Prüf-, Inspektions- und Zertifizierungsunternehmen (Testing, Inspection, Certification, kurz TIC) schreibt deren Weltverband, das TIC-Council, die Umsetzung eines Compliance-Codes bis spätestens 2021 vor. Etwas, was Manuela Kohl, Head of Group Legal & Compliance der österreichischen TÜV Austria Group, noch heuer erledigt. Sie ist seit fünf Jahren Unternehmensjuristin des 1872 in Wien gegründeten Unternehmens. Im Hinblick auf die mehr als 2000 Mitarbeiter in mehr als 20 Ländern in 48 Gesellschaften mit zwölf verschiedenen Sprachen sagt die 43-Jährige: „Jedem soll klar erkenntlich sein, welche Geschäfte man ausführen kann und welche nicht, weil sie unseren Werten widersprechen.“

Der Compliance-Code, sagt Kohl, eine von wenigen Chefjuristinnen in österreichischen Technikunternehmen, sei keine trockene Vorschrift, „er ist ein Aufruf für alle Mitarbeiter, das eigene Handeln zu bewerten“, stellt sie klar. In Soziologie und Rechtswissenschaften promoviert, setzt sie daher in der Umsetzung besonders auf Mitarbeiter-Involvement: „Unmittelbarer Praxisbezug im Wissensteil und realistische Entscheidungssituationen definieren die große Verantwortung außerhalb der Komfortzone für erfahrene Mitarbeiter neu.“

Im Kern sei das Compliance-E-Learning-Programm in allen Ländern ident, in denen TÜV Austria aktiv sei, aber in der Ausformulierung „muss man die Besonderheiten unserer Kulturen immer berücksichtigen“, sagt Kohl. In jeder der nationalen Gesellschaften gebe es zudem Compliance-Koordinatoren, die von der Unternehmensjuristin direkt angesteuert werden.

Dass Kohl viele Jahre als Kultur- und Sozialwissenschaftlerin tätig war, unter anderem für die Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien, zeigt sich in ihrer kreativen Herangehensweise in der Umsetzung: Kohl überreichte bei der internationalen Einführung einer elektronischen Whistleblowing-Plattform den Mitarbeitern ein besonderes Gimmick, eine Trillerpfeife: „Alle haben ihre eigene Pfeife, begreifen sinnbildlich ihre Rolle, unsere Gruppe aus eigener Kraft weiterzuentwickeln.“ Es brauche eben auch Kreativität, wenn die Einhaltung von Regeln im Mittelpunkt steht.

„Es ist in den unterschiedlichen Ländern immer eine Kulturfrage, wie die Plattform genutzt wird“, bemerkt Kohl: Anzuschwärzen, zu vernadern und falsche Anschuldigungen sind natürlich überall verboten. Whistleblowing, also die Möglichkeit, auf Missstände hinzuweisen, digital einzuführen, habe sich jedenfalls als gut erwiesen, ist Kohl überzeugt: „Die Hürde ist niedriger, weil es eine anonyme Möglichkeit ist, Dinge zu melden.“

Bei der Führung ihrer Mitarbeiter ist Kohl ein persönliches Anliegen, dass alle „wissen sollen, wieso und weshalb“ Aufgaben auszuführen sind. Die dahinterliegenden Werte müsse man als Führungskraft vorleben. Das sei dann leichter, wenn man möglichst transparent agiere – wobei das manchmal einfacher klinge als es in der Praxis tatsächlich sei: Denn manches sei eben vertraulich und nur für sie als Chefjuristin gedacht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.05.2020)

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