Die Horrorvisionen aus der Lobbying-Abteilung

Österreichs Banken bestanden den Stresstest mit Bravour. Die Bankensteuer würde sie aber umbringen.

Herzlichen Glückwunsch noch einmal an die Bank Austria, die Erste Bank und die Raiffeisen Zentralbank! Der Stresstest endete für die drei größten österreichischen Geldinstitute bekanntlich mit guten Ergebnissen im Mittelfeld aller Teilnehmer. Das ist eine erfreuliche Nachricht, die heimische Bankkunden beruhigen und die Bankdirektoren wahrscheinlich ein wenig stolz machen wird. Zu Recht: Immerhin sind sieben europäische Institute bei dem Test durchgefallen.

Damit wären wir mit den positiven Nachrichten leider schon fertig. Denn abgesehen davon, dass es den Banken derzeit gut geht, geht es ihnen ziemlich schlecht:

Die Bank Austria präsentierte vor Kurzem eine Studie, der zufolge in der Branche bis zu 10.000 Mitarbeiter abgebaut werden müssten, wenn alle im Moment diskutierten Steuern und Auflagen Realität würden. 10.000 Mitarbeiter entsprechen etwa einem Achtel aller Beschäftigten in der Finanzbranche. Einen Personalabbau dieser Größenordnung kann man getrost als Kahlschlag bezeichnen. Außerdem müssten die Gebühren erhöht und die Kreditvergabe müsste reduziert werden, warnt die Bank Austria.

Das Institut für Höhere Studien (IHS) hat im Auftrag der Wirtschaftskammer ebenfalls ein wenig gerechnet und kommt zu nicht minder schrecklichen Ergebnissen: Sollte alles so eintreten wie befürchtet, müssten die Banken ihr Kreditvolumen um 20Prozent reduzieren, was in fünf Jahren das österreichische Bruttoinlandsprodukt um exakt 2,49Prozent (eine dritte Stelle hinter dem Komma ist auf Anfrage wahrscheinlich auch noch zu haben) drücken würde. Kurz: Den Banken steht, mit etwas Pech, eine Katastrophe bevor, gegen die sich die biblische Sintflut wie ein Schnürlregen über dem Attersee ausnimmt.


Der interessierte Laie fragt sich nun, wie das gute Abschneiden beim Stresstest mit solch apokalyptischen Zukunftsvisionen zusammenpasst. Kann man bei einem Hundertmeterlauf ins Finale kommen, wenn man auf beiden Beinen hinkt? Antwort: Nicht bei Olympischen Spielen oder beim Seniorensport. Aber im Bankwesen geht das durchaus.

Die furchterregenden Geschichten von drohendem Personalabbau, gekappten Kreditlinien und horrenden Kontoführungsgebühren sind nämlich nicht als Prognose zu verstehen, sondern als schlichtes, knallhartes Lobbying.

Indem die Banken die Auswirkungen von geplanten Maßnahmen wie der Bankensteuer, einer Erhöhung der Einlagensicherung und strengeren Eigenkapitalvorschriften stark ins Absurde übertreiben, hoffen sie, deren Umsetzung zu verhindern. Der angedrohte Verlust von Arbeitsplätzen wirkt bei Politikern ja fast immer.

Angesichts des Treibens im kleinen Österreich kann man sich jetzt ungefähr vorstellen, was jene Gruppe von EU-Parlamentariern gemeint hat, die sich vor Kurzem über die ausufernden Lobbying-Aktivitäten des Finanzsektors beklagt hat. Wer den Banken etwas wegnehmen will, muss sich in der Tat warm anziehen.


Nun spricht im Prinzip nichts dagegen, dass eine Branche mit allen legalen Mitteln versucht, Verschlechterungen zu verhindern. Das Problem ist nur, dass systemrelevante Banken, wie der Name schon sagt, weit über ihren Kernbereich hinaus über Macht und Einfluss verfügen. Wenn Banken „too big to fail“ sein können, sind sie dem durchschnittlichen Regierungschef auch zu groß, um sich mit ihnen anzulegen. Die ungarische Regierung probiert derzeit aus, ob das funktioniert. In Budapest wurde eine vergleichsweise sehr hohe Bankensteuer beschlossen, die auch heimische Institute empfindlich treffen wird. Anlass dafür war aber weniger ein Anfall von Verwegenheit, sondern vielmehr das gähnende ungarische Budgetloch.

Es ist ein wenig in Vergessenheit geraten– deshalb noch einmal zur Erinnerung: Die Banken waren in der gerade halbwegs überstandenen Wirtschaftskrise zuerst Täter, dann erst Opfer. Eben weil sich die Branche in den vergangenen Jahren so souverän gegen härtere Auflagen zur Wehr gesetzt hat, konnte das System kollabieren. Das Selbstbewusstsein, mit dem etwa strengere Eigenkapitalvorschriften jetzt wieder mit Horrorgeschichten torpediert werden, ist angesichts dieser Vorgeschichte bemerkenswert.

Der Stresstest maß die Auswirkungen diverser Krisenannahmen auf die Stabilität der geprüften Banken. Ein Glück für die Branche, dass die Worst-Case-Szenarien nicht so schlimm waren wie jene aus den eigenen Lobbying-Manufakturen. Dann hätte wohl kaum eine Bank bestanden.

Bericht Seite 13

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.07.2010)

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