Anleger achten schon seit Jahren auf Pandemie-Risiken

FILE PHOTO: Customers distance before entering an Apple Store during phase one of reopening after COVID-19 lockdown in New York City
FILE PHOTO: Customers distance before entering an Apple Store during phase one of reopening after COVID-19 lockdown in New York CityREUTERS
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Die Coronakrise hat Tourismus-Aktien schlimmer getroffen als Technologiewerte. Eine WU-Studie zeigt nun, dass die Investoren schon vor dem Ausbruch der Coronakrise Aktien von widerstandsfähigen Unternehmen vorgezogen haben.

Die Coronapandemie und die weltweiten Lockdowns haben an den Börsen unterschiedliche Folgen gezeitigt: Während die Aktien von Firmen mit starkem Tourismusbezug wie Royal Caribbean Cruises, die Hotelkette Marriott oder die Fluglinie United Airlines zunächst ins Bodenlose abgestürzt sind und sich von diesem Absturz noch längst nicht erholt haben, haben andere Aktien, etwa jene von Apple oder Microsoft, neue Rekordhochs erklommen.

Wissenschaftler am Institute for Finance, Banking and Insurance der Wirtschaftsuniversität Wien (WU) haben nun in einer Studie („Disaster Resilience and Asset Prices“) untersucht, welche Effekte die Coronakrise und die Social-Distancing-Erfordernisse auf den Finanzmarkt haben. Dabei zeigt sich zunächst wenig überraschend: Branchen, die direkt oder indirekt von Social Distancing betroffen waren und sind, leiden unter fallenden Kursen und höheren Risikoprämien. Letzteres bedeutet, dass potenzielle Käufer höhere Renditen für ihren Einsatz wollen und daher von vornherein geringere Preise zahlen.

„Die stärker von Social Distancing beeinflussten Branchen wie der Tourismus hatten im Untersuchungszeitraum vom 24. Februar bis 20. März 2020 rund zehn Prozent mehr Wertverlust als weniger betroffene Unternehmen“, schrieb WU-Professor Christian Wagner, der zusammen mit seinem Kollegen Josef Zechner sowie Marco Pagano von der University of Naples Federico II. die Studie erstellt hat.
Überraschend ist hingegen, dass bereits lange vor der Coronakrise das Pandemierisiko in den Aktienpreisen berücksichtigt wurde. Im Zeitraum von 2014 bis 2019 seien die Ertragsunterschiede zwischen mehr und weniger pandemieresistenten Unternehmen in etwa gleich groß gewesen wie während des Ausbruchs (Ende Februar und Anfang April 2020), stellte WU-Professor Josef Zechner fest.

Nicht nur Bill Gates hat gewarnt

„Wir gehen davon aus, dass sich die Investorinnen und Investoren der potenziellen Bedrohung durch Pandemien lange vor Covid-19 bewusst geworden sind.“ Das könnte damit zusammenhängen, dass es schon seit Jahren Warnungen vor einer Pandemie gibt, so hatte etwa der damalige US-Präsident, Barrack Obama, im Jahr 2014 vor einer solchen gewarnt. Kurze Zeit später hatte auch Microsoft-Gründer Bill Gates von einer solchen Bedrohung gesprochen. Einige Anleger könnten daher das Pandemierisiko bereits reflektiert und bevorzugt solche Aktien gekauft haben, die leichter auf Teleworking umstellen und ihre Produkte und Dienstleistungen auch (oder sogar verstärkt) in Pandemiezeiten anbieten können.

Auch jetzt, nach den weltweiten Lockdowns, sind die Investoren noch immer bereit, höhere Preise für Unternehmen zu zahlen, die widerstandsfähiger gegenüber Pandemierisken sind.
Die Marktteilnehmer kaufen Aktien von stark pandemieanfälligen Firmen nur dann, wenn sie dafür hohe Gewinnrenditen in Aussicht gestellt bekommen, wenn also der Kurs entsprechend gering ist. Anfang April 2020, als die Erholung an den Börsen bereits im Gange war, lagen die erwarteten Renditen von Aktien mit geringer Pandemie-Widerstandsfähigkeit wie Royal Caribbean Cruises oder United Airlines bei 60 Prozent bzw. 40 Prozent, während jene von Aktien mit hoher Widerstandsfähigkeit wie Apple und Microsoft bei drei bis vier Prozent lagen. Sprich: Die Anleger kaufen lieber Microsoft und Apple zu hohen Preisen als United Airlines zu niedrigen, weil sie ein geringeres Risiko vorziehen.


Für ihre Untersuchung haben die Autoren 3600 börsenotierte US-Unternehmen im ersten Quartal 2020 sowie im Zeitraum 2014 bis 2019 untersucht. Sie klassifizierten die Unternehmen je nach Betroffenheit durch Social Distancing.
Als besonders betroffen wurden dabei jene Firmen eingeordnet, die nicht problemlos Telearbeit anbieten können oder die ein Produkt bzw. eine Dienstleistung anbieten, die vom „Abstand-Halten“ massiv beeinträchtigt sind – wie die Tourismusbranche.

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