"Keine Zeit verlieren"

Merkel bereitet Boden für Coronahilfen vor

Deutschlands Bundekanzlerin Angela Merkel und EU-Kommissionspräsidentin Ursula Von der Leyen
Deutschlands Bundekanzlerin Angela Merkel und EU-Kommissionspräsidentin Ursula Von der LeyenAPA/AFP/POOL/STEPHANIE LECOCQ
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Bei ihrem ersten Brüssel-Besuch seit dem Ausbruch der Pandemie warb die deutsche Kanzlerin für einen Kompromiss beim Hilfsfonds.

Brüssel. „Wir stehen vor einer nicht gekannten Situation des wirtschaftlichen Einbruchs“ – mit diesen Worten stimmte Angela Merkel ihre Zuhörer im Brüsseler Plenum des Europaparlaments auf die bevorstehenden Verhandlungen über den Post-Corona-Wiederaufbauplan und den Haushaltsrahmen der EU ein. Die deutsche Bundeskanzlerin, die seit dem 1. Juli den Ratsvorsitz der Union innehat, war am gestrigen Mittwoch nach Brüssel gereist, um gemeinsam mit den Spitzen der EU den Boden für den Sondergipfel am 17./18. Juli zu bereiten.

Bei dem außertourlichen Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs stehen beide heiklen Geldfragen auf der Tagesordnung. Zumindest was die Coronahilfen anbelangt, möchte Merkel eine Einigung im Sommer erzielen – also de facto noch im Laufe des Juli, denn traditionellerweise stehen im August alle EU-Räder still. „Wir dürfen keine Zeit verlieren, darunter würden nur die Schwächsten leiden“, warnte die Bundeskanzlerin in Brüssel.

Als Verhandlungsgrundlage liegt ein Vorschlag der EU-Kommission auf dem Tisch, der rund 750 Mrd. Euro für die Unterstützung der von der Pandemie am stärksten getroffenen Regionen und Branchen vorsieht. Die Mittel sollen teils als Kredite und teils als nicht rückzahlbare Zuschüsse fließen. Dieser Mix ist umstritten: Die sogenannten Frugalen Vier – Dänemark, Österreich, Schweden und die Niederlande – plädieren für einen möglichst hohen Anteil an (mit Reformauflagen verbundenen) Krediten. Die hart getroffenen Südeuropäer wiederum wollen von Krediten und Konditionen nichts wissen und fordern Solidarität ein.

„Es wird eine Balance geben“

Merkel, die gemeinsam mit Frankreichs Staatschef, Emmanuel Macron, die Initialzündung für den Hilfsfonds geliefert hatte, versuchte gestern, das sparsame Quartett an Bord zu holen. Man werde darauf achten, „die wirtschaftlich Starken nicht über Gebühr“ zu belasten, versprach die Bundeskanzlerin. Die Regierung in Wien zeigt sich im Vorfeld gesprächsbereit, und Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) stellt sich auf einen Kompromiss ein: „Es wird eine Balance geben müssen zwischen Krediten und Zuschüssen.“

Bei der Debatte kommende Woche geht es um den gigantischen Gesamtbetrag von gut 1,8 Billionen Euro. Die vorliegenden Entwürfe von Kommission und Rat zum Haushaltsplan 2021–2027 unterscheiden sich minimal und belaufen sich auf knapp 1,1 Bio. Euro. Das Europaparlament, das den Haushalt ebenfalls absegnen muss, hat etwas großzügigere Vorstellungen und wünscht sich gut 1,3 Bio. Euro.

Merkels Überzeugungsarbeit geht jedenfalls weiter: Am heutigen Donnerstag wird Mark Rutte in Berlin erwartet. Der niederländische Premierminister gilt als hartnäckigster Gegner der Coronazuschüsse. Eine Einigung noch im Juli sei „nicht absolut notwendig“, sagte Rutte vor wenigen Tagen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.07.2020)

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