Biosphäre Nockberge: eine Ansammlung schöner runder Gipfel, Lärchenwälder, Almmatten. Mit der Nockalmstraße kommt man zu den schönsten Stellen.
Naturerlebnisse in Kärnten

Linkspföter und pfeifende Berggesellen

Magische Momente verspricht Kärnten mit sommerlichen Naturerlebnissen. Eine Auswahl einiger landschaftlicher, kultureller und kulinarischer Leckerbissen.

Wald und Natur sind nicht nur Erholungsgebiet für uns Menschen, sondern vor allem Lebensraum für unzählige Tier- und Pflanzenarten“, klärt Diplom-Zoologin Manuela Siller gleich am Anfang ihrer Tour auf. Also auf in das Wohnzimmer von Reh und Hirsch. „Auf diesem Picknickplatz hat ein Linkspföter gespeist“, stellt unser Guide bei einem alten Baumstumpf, der mit zerfransten Zapfenteilen übersät ist, fest. Die Gruppe von sechs städtischen Schreibtischtätern im Mischwald am Ufer des Weißensees blickt sich fragend an.

Sie alle haben einen der rund 20 magischen Momente der Kärnten Werbung gebucht. Bei der Genusstour im Naturpark Weissensee wird mit einem Holzfloß, das von einem kleinen Motor angetrieben wird, morgens über den glitzernden See auf die gegenüberliegende Südufer-Seite übergesetzt. Wir betreten Boden hinter dem Paterzipf an der breitesten Stelle des Sees, um den Lebensraum der dort beheimateten Tier- und Pflanzenwelt genauer unter die Lupe zu nehmen. Dabei erhalten die Besucher auch einen Einblick in die Spuren- und Fährtenkunde.

Braunbären? Eichhörnchen!

Unser Guide, eine gebürtige Salzburgerin, die mit der Erforschung der Braunbären hier zwischen Drau- und Gailtal gelandet ist, erklärt ihren Gästen, was vor ihrer Kärntner Haustüre kreucht und fleucht und hat sichtlich Spaß dabei. Interessierten bringt sie ihre Erfahrungen und Beobachtungen näher, die alltäglich, für uns aber spektakulär sind.
Mit dem Picknickplatz der Linkspföter sind die Gäste allerdings überfragt, denkt man doch im Wald in erster Linie eben an Rotwild. Tatsächlich handelt es sich um die Futterstelle eines Eichhörnchens. Sie sammeln die von den Fichten heruntergefallenen Zapfen, setzen sich auf dem Baumstumpf auf ihre Hinterpfoten und reißen mit den Zähnen die Schuppen von der Spindel, die sie mit den Vorderpfoten festhalten. So gelangen sie an die beliebte Leckerei, die Samen. Ob Rechts- oder Linkspföter, das kann allerdings nur bei direkter Beobachtung festgestellt werden. Siller wollte das Rätsel nur spannender gestalten und uns diese Differenzierung näherbringen.

Seuchenteppich der Ameisen

Kaum berührte Ufer: Im Naturpark am Weissensee.
Kaum berührte Ufer: Im Naturpark am Weissensee.Kärnten Werbung/Franz Gerdl

Frage an die Gäste: Woran erkennt man, dass hier ein Eichhörnchen gespeist hat? Schon wieder sind alle ratlos. Die Spindel weist Fäden auf, an denen die Schuppen weggezerrt wurden. Im Gegensatz dazu zwickt eine Maus die Zapfenblätter sauber mit ihren spitzen Zähnen ab und holt sich so den Samen. Die Spindel zeigt sich danach sorgfältig und geradlinig abgeknabbert. Ein Buntspecht würde den Zapfen in ein Baumstammloch klemmen und darauf losklopfen. Der Fichtenkreuzschnabel, ein Singvogel, der die Samen ebenso schätzt, würde die Schuppen dagegen mit seinem scharfen Schnabel der Länge nach spalten. Siller hat jeweils einen Zapfen als Anschauungsobjekt in ihrem Schauköfferchen, das mit eigens gesammelten Objekten wie Tierhäuten, Federn und Naturmaterialien ausgestattet ist.Dutzende Male ist die Gruppe bisher an den „Küchen“ dieser Tiere achtlos vorbeigewandert. Doch Siller setzt ihre Aufklärungsarbeit beim benachbarten Ameisenhaufen gleich fort, aus dem sie weiße Kügelchen birgt. Immer zuerst die Frage an das Publikum: Was ist das und wofür dient es? Wir qualifizieren uns als völlig ahnungslose Truppe, dabei gestehen alle, in der Freizeit viel in der Natur zu unternehmen. Die Harzkügelchen dienen den Ameisen als Desinfektionsmittel, denn auf so engem Raum mit so vielen Artgenossen schleppen sie, nicht nur mit dem Aas, schnell Keime und Pilze ein. Die Harzkügelchen, über die diese Hautflügler immer wieder laufen, fungieren als Seuchenteppich.

Kleine Schlangenkunde

Zur Waldlichtung hin zeichnet sich ein Hufabdruck in der Erde ab. Schon wieder fragende Blicke unter den „Naturliebhabern“. Ein Hirsch hat hier offensichtlich die Lichtung beobachtet, ob sie gefahrlos gequert werden kann. Die Tiefe des Abdrucks verrät unserem Guide, dass es ein ausgewachsener Hirsch gewesen sein muss, der hier ein wenig verweilt hat.

Dazwischen lauscht die Gruppe den verschiedenen Gesängen der Vögel und erfährt viel über Kräuter, die am Wegesrand gedeihen. Siller zeigt uns auch den Bergahorn und baut aus einem Blatt ein Körbchen für Walderdbeeren, das sie bei Kinderführungen gerne vorzeigt.
Die Begründung, warum Schlangen als hypnotisierend gelten und wie man sich nach einem Biss der giftigen Kreuz- oder Hornotter am besten verhält, bilden den Abschluss der Tour. Auf dem Weg durch ein Schotterfeld suchen unsere Augen jede Spalte nach einem Schlängeln ab. Die trockenen Steinwüsten wie die benachbarte Schütt, das größte Bergsturzgebiet der Ostalpen an der Südflanke des Dobratsch, sind bevorzugtes Jagdgebiet der giftigen Hornottern. Siller beruhigt uns hysterische Städter. „Im Hochsommer ist den Schlangen um die Mittagszeit in dieser geringen Höhe viel zu heiß. Sie sind wechselwarme, ektotherme Tiere, die keine konstante Körperkerntemperatur haben und ihren Wärmehaushalt nicht regeln können. Sie würden an Überhitzung sterben.“ Trotzdem sind wir beruhigt, als wir das sichere Floß unter den Füßen spüren.

Geräucherte Forellen

Die zwei Stunden naturkundlicher Führung sind wie im Flug vergangen, bevor es mit dem Genussfloß wieder retour geht. Diesmal wird die angetriebene Holzplattform seinem Namen gerecht. Kapitän Franz Lackner, der von Einheimischen liebevoll Lacki gerufen wird, hat inzwischen für die kulinarische Versorgung der Gäste bei der Heimfahrt gesorgt. Sein Münsterländer-Hund Twister wird mit der ruhigen und folgsamen Art seinem Namen nicht ganz gerecht, „außer wenn kleine Enten- oder Blässhühner-Küken im See ihre ersten Runden drehen“, klärt uns Siller auf und zeigt uns, bevor wir ablegen, ganz versteckt zwei der kleinen schwarzen piependen Wollknäuel im Dickicht des Schilfs. Auf hoher See, der Weissensee wird mit bis zu 99 Meter Tiefe diesem Begriff fast gerecht, gibt es für die Ausgehungerten verschiedene köstliche heiß und kalt geräucherte Forellenarten aus dem Hause Fischart. Dazu wird ein trockener Weißwein serviert.

Baden zwischen Steinen: Das historische Karlbad an der Nockalmstraiße.
Baden zwischen Steinen: Das historische Karlbad an der Nockalmstraiße.Kärnten Werbung/Sigi Leitner

Am Weissensee wird bereits an einer umweltschonenderen Alternative für das in die Jahre gekommene Holzfloß getüftelt, um über den See zu gelangen. Für ein durch einen E-Motor angetriebenes Gefährt wäre Holz zu schwer. Die Tour endet um 13 Uhr, also die beste Zeit, um eine Abkühlung im höchstgelegenen türkisblauen See Kärntens auf fast 1000 Metern zu genießen, bevor wir am nächsten Tag einen weiteren magischen Moment buchen. Wer das Naturjuwel an der breitesten Stelle einmal durchqueren will, muss für rund 800 Meter fit sein.Dass uns am nächsten Tag Murmeltierpfeifen erwarten wird, wissen wir bei Ansicht des Programms trotz Linkspföter-Unwissens. Zunächst sind wir ob des frühen Starts um 20 Minuten vor sieben Uhr nicht erfreut. Bei der Fahrt über die noch ruhige und völlig menschen- und vor allem auto- und motorradleere Nockalmstraße wird uns das Ausmaß der Schönheit dieses Gebirgszuges mit den sanften Rundungen bewusst. Die Eisentalhöhe ist der höchste Punkt der Panoramastraße.

Von Nock zu Nock zu Nock

Mit an Bord ist der erfahrene Biosphärenpark-Ranger Markus Böheim, der sich nach vielen Jahren in der Hotellerie jetzt an der Aufgabe in der Natur erfreut. Er führt uns über das Gipfelkreuz zum Karlbad. Bergauf erzählt uns Böheim von der Region, die vor rund 60 Millionen Jahren gebildet wurde und bis heute geformt wird. Rundum ein Bergpanorama, das nie mehr als 2500 Meter Höhe aufweist. Der Rosennock mit 2440 oder der Plattennock mit 2316 Metern gehören schon zu den höchsten Gipfeln. Die begrünten Bergkuppen, die richtige Bezeichnung für Nock, bilden einen guten Boden für Zirbe und Speik, die beiden Aushängeschilder der Region.

Hier befindet sich der größte Zirbenwaldbestand der Ostalpen. Wir wandern aber vor allem auf den grünen Matten der sanften Kuppen, vorbei an einem roten Blütenmeer. Die Alpenrosen stehen in voller Blüte, wechseln dann mit blauen Enzianfeldern. Das Auge kann sich kaum sattsehen, als sich unsere Aufmerksamkeit auf das laute, wiederholte kurze Pfeifen konzentriert. Weit entfernt können wir zwei Murmeltiere erkennen, die, aufrecht sitzend, die Umgebung ausspähen. Böheim erklärt, dass kurze Pfiffe Annäherung des Feindes am Boden bedeuten, während ein einzelner langer Pfiff Angriff aus der Luft verrät.
Wir sind froh, dass es diesmal kein Quiz war, das wir wieder einmal nicht bestanden hätten. Nach einigen weiteren Schritten sind die Murmeltiere im wahrsten Sinne des Wortes vom Erdboden verschluckt.

Baden im Lärchentrog

Nach einer dreistündigen Wanderung, die man je nach Anforderung und Kondition auch kürzer gestalten kann, erreichen wir das Karlbad. Schon als wir in die Nähe kommen, hören wir das typische langgezogene charakteristische Rufen: „Boooooooodn.“

Die Gäste steigen, getrennt nach Männern und Frauen, in das bis zu 40 Grad warme Wasser, das in den aus Lärchenstämmen gefrästen Badewannen durch erhitzte Steine gewärmt wird. Die mit Brettern bedeckten Tröge sind zum Liegen nicht sehr bequem, aber das warme, fast heiße Wasser entspannt den Körper. Dazu wird frisches Quellwasser getrunken, das auch der Abkühlung des dampfenden Körpers dienen kann. Im Anschluss legt man sich zur Erholung normalerweise ins Bett, wir aber genießen nach unserem „Booooood“ die typische Kärntner Bauernküche im Karlbad.

Der heutige Gasthof hat lediglich sieben Gästezimmer, auf einen weiteren Ausbau sowie auf moderne Technik – es gibt weder Stromaggregat noch Telefon – wird zugunsten der Authentizität des Badebetriebs bewusst verzichtet. Die Bauernfamilie Aschbacher betreibt jeweils im Sommer nunmehr in der achten Generation den Badebetrieb samt Gaststätte, Pension und Viehzucht.

UNTERWEGS IN BIOSPHÄREN

Naturparks sind geschützte, durch langfristiges Einwirken, Nutzung und Bewirtschaften entstandene Landschaftsräume.
Biosphärenparks wurden 1976 von der Unesco als international anerkannte Gebiete eingeführt. Weltweit gibt es 669 Biosphärenparks in 120 Ländern. In Österreich gibt es neben den Kärntner Nockbergen und Salzburger Lungau noch weitere zwei Gebiete: Großes Walsertal (Vorarlberg) und Wienerwald (Niederösterreich, Wien).
Infos: www.kaernten.at; www.berglust.at/magische-momente; weissensee.com; www.biosphaerenparknockberge.at
www.nockalmstrasse.at; www.nockmobil.at
Compliance: Die Reise erfolgte aus Einladung von Kärnten Werbung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.07.2020)

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