TV-Serie

Serie: Was, wenn ein Virus kommt?

Sløborn (8)
Sløborn (8)ZDF/Krzysztof Wiktor
  • Drucken

„Sløborn“ erzählt, was passiert, wenn sich ein tödliches Virus ausbreitet. Die Serie wurde vor Corona gedreht. Nun hat die Realität die Fiktion eingeholt. Fast.

„Seit ich denken kann, geht die Welt unter: Artensterben, Urwaldrodung, Wirtschaftskrisen, Terror . . . Irgendwo ist immer die nächste Krise, der nächste Krieg, hat die Menschheit nur wenige Jahre, um die Apokalypse abzuwenden“, denkt Evelin auf der Heimreise von einem Schulausflug. „Nur auf Sløborn passiert nie was.“ Mit 15 kann einem das Leben auf einer kleinen Nordseeinsel, deren größtes Highlight eine alle zwei Wochen stattfindende Party ist, ganz schön auf die Nerven gehen.

Doch Evelin wird der friedlichen Langeweile bald nachtrauern. Während sie sich von ihren Schulkollegen verabschiedet und sich mehr über den Hund als über ihren Papa freut, der sie vom Hafen abholt, treibt ein führerloses Segelboot auf Sløborn zu. Die beiden Segler – ein älteres Ehepaar – sind tot. Gestorben an der hoch ansteckenden Taubengrippe, die in einigen Teilen der Welt grassiert und sich, als das Boot strandet, anfangs unbemerkt auf der Insel ausbreitet. . .

Maske tragen, Hände waschen

Was dann geschieht, kommt einem haarsträubend bekannt vor: Die Radiomeldungen über den Ausbruch in Südamerika, Indien und anderen Teilen Asiens sind nicht mehr als Hintergrundgeräusche. Keiner hört hin. Als klar wird, dass das letale Virus auf Sløborn grassiert, will man es erst nicht glauben. Die Menschen ignorieren die ihnen unbekannte Gefahr. Wenig später müssen alle, die das Begräbnis des ersten Opfers besuchen, einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Die Kinder kriegen schulfrei. Man soll zu Hause bleiben. Abstand halten. Sich die Hände waschen. . .

Regisseur Christian Alvart konzipierte die Serie zwei Jahre vor der Corona-Pandemie. Gedreht wurde im Herbst 2019. Während der Postproduktion herrschten bereits erschwerte Corona-Bedingungen. Die Realität hat die Fiktion eingeholt. Zum Glück nur teilweise. Denn in der Serie spitzt sich die Lage zu: Am Ende kreisen statt Möwen Militärhubschrauber über der Insel und schwer bewaffnete Truppen treiben Menschen aus ihren Häusern, um sie wegzubringen. Wer nicht spurt, auf den darf geschossen werden.

Wie reagieren wir auf eine solche Bedrohung? In „Sløborn“ sehen wir die in Auflösung befindliche Familie von Evelin (Emily Kusche; „Das perfekte Geheimnis“). Ihr Vater („Tatort“-Kommissar Wotan Wilke Möhring) hält es mit seiner Frau in der Einschicht nicht mehr aus. Er kehrt nach Berlin zurück. Die Mutter (Annika Kuhl) denkt mehr ans Geschäft als an die Kinder, weshalb Evelin (die eigentlich genug eigene Probleme hat) die Brüder bekocht und zur Schule bringt. Dabei will sie doch nur eines: weg aus dieser kleinen, beengten Gesellschaft. Ihre Coming-of-Age-Geschichte zieht sich wie in Leuchtschrift durch die acht Episoden, die von ihrer verbotenen Liebe, ihren Träumen erzählen. Und davon, wie es ist, wenn man viel zu früh erwachsen werden muss.

Ein Literat auf Koks

Sløborn (4)
Sløborn (4)ZDF und Krzysztof Wiktor

Großartig ist Alexander Scheer in der Rolle des herablassenden Literaten Nikolai Wagner. Er kommt auf Einladung der örtlichen Buchhändlerin nach Sløborn, um dort eine Lesung zu geben (ja, er braucht das Geld) – und die Ruhe zu finden, um seinen neuen Roman fertigzustellen.

Blöd nur, dass der einzige, der hier Kokain vertickt, ihn nicht auf seine Party lassen will: „Kannst mich googeln, dann siehst du, dass ich den Ingeborg-Bachmann-Preis habe. Nein, das ist kein Polizeiorden“, gibt Wagner an – und landet mit blutiger Nase im Sand. Und dann setzt ihn seine Gastgeberin Merit (Laura Tonke) auch noch in bester Absicht auf kalten Entzug! Wagner poltert als tragikomische Figur durch diesen Plot. Scheer stattet ihn mit einem Hauch von Wahnsinn aus. Wider Erwarten inspiriert ihn Sløborn. Den Roman schreibt er fertig. „Für Merit“.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.