Ökonomen gehen davon aus, dass sich die Wirtschaft im Herbst erholen wird. Sorgenkind bleibt der Tourismus, obwohl der Sommer Kärnten sogar mehr Nächtigungen brachte.
Wien. „Jetzt sind wir im Überlebensmodus“, sagt Norbert Kettner. Der Chef des Wien Tourismus ist über die am Freitag veröffentlichten Zahlen der Statistik Austria nicht überrascht. Wien verzeichnete im Juli einen Nächtigungsrückgang um mehr als 73 Prozent. Im Juni waren es noch 88 Prozent. Und für Kettner ist auch klar, dass diese Durststrecke nicht Monate, sondern Jahre dauern wird. Denn die Wiener Hotels leben vor allem von internationalen Gästen, sie stellen 85 Prozent der Besucher.
Noch immer hat jedes vierte Hotel in Wien geschlossen, sagt Kettner. Es werde in den kommenden Monaten zu einer Marktbereinigung kommen.
Michaela Reitterer leitet in Wien das Boutiquehotel Stadthalle und ist Präsidentin der Österreichischen Hoteliervereinigung. Sie rechnet damit, dass spätestens nach Weihnachten viele Hotels in Wien wieder schließen werden. Fraglich wird sein, ob die Mitarbeiter in die Kurzarbeit geschickt und gekündigt werden.
Apropos Weihnachten: Mit einer gewissen Anspannung blickt natürlich auch der Wintertourismus in die kommende Saison. Klar ist mittlerweile, dass es Après-Ski in geschlossenen Räumen nicht geben wird. In den Skihütten wird es also ruhiger zugehen als in den vergangenen Jahren. Für Gondelbahnen werden dieselben Regelungen wie für öffentliche Verkehrsmittel gelten. Mund-NasenSchutz wird also verpflichtend sein. Skihelm allein ist zu wenig.
Das große Problem werden aber nicht die Hygienevorschriften sein, meinen Experten. Sämtliche Prognosen hängen ganz stark von den Infektionszahlen in den Herkunftsländern ab, sagt Tourismusexperte Klaus Ennemoser. Sollte uns und den wichtigen Herkunftsländern eine zweite Infektionswelle erspart bleiben, geht der Tiroler Unternehmensberater im Winter von einem Nächtigungsminus zwischen „zehn und 20 Prozent“ aus.
Klar sei aber auch, dass viele Wintergäste Alternativen zum klassischen Skifahren suchen werden. Dieser Trend sei seit vielen Jahren bemerkbar und bekomme durch Corona einen weiteren Schub. Dennoch: Von einem Katastrophenszenario könne keine Rede sein.
Das zeigen auch die Zahlen aus dem Juli. Die 15,5 Millionen Gästenächtigungen bedeuten einen Rückgang um 17,4 Prozent gegenüber Juli 2019. Zwar kamen um 28,7 Prozent weniger ausländische Gäste, dafür machten um 15,2 Prozent mehr Österreicher Heimaturlaub. Treue bewiesen die deutschen Gäste, deren Nächtigungen im Juli lediglich um 4,3 Prozent auf 6,73 Mio. zurückgingen. Zum Vergleich: Aus den Niederlanden kamen um 21,7 Prozent weniger, aus Italien um 66,4 Prozent weniger und die Nächtigungen aus den USA und Asien brachen um über 90 Prozent ein.
Nach Kärnten, in die Steiermark und ins Burgenland kamen im Juli sogar mehr Gäste als vor einem Jahr. In den restlichen Bundesländern werden die Rückgänge bei den Nächtigungen zwischen elf und 22 Prozent beziffert.
Viele Tourismusregionen kamen also mit dem berühmten blauen Auge davon. Dennoch fürchtet ÖHV-Präsidentin Reitterer, dass viele Betriebe anstehende Investitionen abblasen oder zumindest verschieben werden. „Das werden vor allem viele Handwerksbetriebe spüren“, sagt sie. In der Regel investiert ein heimisches Hotel pro Jahr 1,5 Millionen Euro. 80 Prozent dieser Wertschöpfung werden in den Regionen lukriert.