Gipfelgespräch

Suche nach einem "Rezept" gegen die Arbeitslosigkeit

V.l.n.r.: Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP), Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP), WKO-Präsident Harald Mahrer und AK-Präsidentin Renate Anderl im Rahmen des Spitzengespräches der Sozialpartner und der Regierung 'Offensive: Arbeitsmarkt'
V.l.n.r.: Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP), Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP), WKO-Präsident Harald Mahrer und AK-Präsidentin Renate Anderl im Rahmen des Spitzengespräches der Sozialpartner und der Regierung 'Offensive: Arbeitsmarkt'(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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Sozialpartner und Regierung berieten über Maßnahmen im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit. In das Treffen platzte die Nachricht, dass das Hotel Sacher 140 Mitarbeiter in Wien und Salzburg abbaut.

Wien. 1876 eröffnete Eduard Sacher das Hotel de l'Opera in Wien, Sohn Franz benannte es schnell in Hotel Sacher um – und seither ist das Hotel neben der Staatsoper Synonym für die Familie, die es besitzt. Das Sacher hat eine ereignisreiche Geschichte hinter sich, die heuer um ein Ereignis erweitert wird: die Coronapandemie, die das Wiener Traditionshotel hart trifft.

Gestern, Dienstag, wurden 105 Mitarbeiter in Wien gekündigt. „In Salzburg müssen wir uns von weiteren 35 Mitarbeitern trennen“, erklärte Matthias Winkler, Geschäftsführer der operativen Gesellschaften der Familie, am Dienstag am Rande eines Medientermins im Finanzministerium. Für den Rest der etwa 800 Mitarbeiter der verschiedenen Kaffeehäuser der Gruppe und der Hotels in Wien und Salzburg gilt weiterhin Kurzarbeit, wobei „wir nicht wissen, ob wir sie überhaupt wie vorgesehen zu 30 Prozent beschäftigen können“.

Im vergangenen Jahr habe die Gruppe noch etwa 100 Millionen Euro Umsatz gemacht, heuer werde man das Jahr „im besten Fall“ mit 25 Prozent davon abschließen, meinte Winkler. Rund um den Nationalfeiertag, der üblicherweise stark gebucht sei, seien im Hotel Sacher in Wien beispielsweise gerade einmal zwei Zimmer reserviert.

Kommt eine Pleitewelle?

Für die Wiener Hotellerie ist der Stellenabbau ein Alarm – und möglicherweise der Beginn einer Welle. Experten warnen seit Langem vor einer massiven Kündigungswelle, nicht nur in der schwer getroffenen Hotellerie in Wien, sondern in vielen Unternehmen in Österreich, die ihre Mitarbeiter derzeit noch in Kurzarbeit halten. Damit könnte auch eine Pleitewelle im Herbst einhergehen, spätestens aber dann, wenn die Stundungen der Steuerzahlungen oder der Zahlungen an die Krankenkassen auslaufen.

Unter diesem Eindruck trafen sich am Dienstagvormittag Sozialpartner und Regierungsvertreter zu einem „Arbeitsmarktgipfel“. Zwar haben sich die Zahlen der Arbeitslosen halbwegs stabilisiert. Mit aktuell 404.000 Personen ohne Job oder in Schulungen gibt es in Österreich aber noch immer fast 80.000 Arbeitslose mehr als zu diesem Zeitpunkt vor einem Jahr. Im Herbst und Winter steigt die Arbeitslosigkeit saisonbedingt, sie dürfte dann die Zahl von 500.000 Personen erreichen.

Seit dem coronabedingten Arbeitslosenrekord Mitte April mit 588.000 Personen ohne Job gehen die Arbeitslosenzahlen kontinuierlich zurück. Zum Höhepunkt der Krise waren zusätzlich mehr als 1,3 Millionen Beschäftigte in Kurzarbeit, nun sind es noch knapp 389.000 Personen. Aktuell sind 11.000 Personen weniger in Kurzarbeit als noch vergangene Woche.

„Haben Zutaten gesammelt“

An dem von der Arbeiterkammer und Gewerkschaft organisierten Treffen nahmen Arbeitsministerin Christine Aschbacher, Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (beide ÖVP), Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne), AK-Chefin Renate Anderl, ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian und Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer teil. Konkrete Beschlüsse wurden nach dem Treffen nicht präsentiert. Anderl formulierte die Ergebnisse blumig aber so: „Wir haben keine fertigen Rezepte, aber wir haben viele Zutaten gesammelt.“ Diese Ideen im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit werde man nun weiterverfolgen.

Konkret müsse es darum gehen, die aktuell Beschäftigten vor dem Virus zu schützen, Arbeitsplätze unter anderem mit der Möglichkeit der Kurzarbeit zu erhalten und den Arbeitslosen zu helfen. Wichtig dafür sei eine massive Aufstockung beim AMS, wie AK und ÖGB meinten. Statt der von der Regierung zugesagten 350 zusätzlichen Stellen benötige man 650.

Warnung vor sozialer Krise

Katzian brachte erneut eine Arbeitszeitverkürzung ins Gespräch, um so zusätzliche Stellen zu schaffen. Arbeitslosigkeit sei „die unsozialste und unmenschlichste Arbeitszeitverkürzung“, meinte der ÖGB-Präsident. Wirtschaftsministerin Schramböck lehnte dieses Ansinnen, das auch die SPÖ trommelt, ab: Man müsse die Unternehmen nun entlasten, nicht zusätzlich belasten.

Für die Wirtschaftskammer geht es um mehr Mobilität und bessere Qualifizierung der Arbeitslosen. Um Branchen, die sowohl vom Strukturwandel als auch der Pandemie betroffen seien – etwa die Fahrzeugindustrie –, müsse man sich speziell kümmern.

Anschober warnte, die Arbeitsmarktkrise dürfe nicht zu einer sozialen Krise werden. Ähnlich Bundespräsident Alexander Van der Bellen in einer Videobotschaft: Es brauche jetzt praktikable Lösungen, um eine drohende soziale Krise abzuwenden.

(rie)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.09.2020)

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