Die UNO feiert ihr 75-jähriges Bestehen in Krisenstimmung. Wegen des Coronavirus findet die Generaldebatte heuer vor allem virtuell statt.
Unter New Yorkern ist der Höhepunkt des UNO-Jahres nicht gerade sehr beliebt: Limousinenkolonnen mit Staats- und Regierungschefs aus aller Welt rasen dann mit Blaulicht durch die Straßen und behindern den Verkehr. Bewaffnete Sicherheitskräfte patrouillieren durch Manhattan. Die Gegend rund um das UN-Hauptquartier am East River ist weiträumig abgesperrt. Doch wo sich sonst Journalisten tummeln und Delegationen zu Meetings eilen, ist es heuer ruhig. Die UN-Generaldebatte, für die stets Ende September die politische Elite der Welt nach New York fliegt, findet in diesem Jahr coronabedingt vor allem virtuell statt. Die Staatschefs und ihre Berater sind zu Hause geblieben.
Dabei hätte das Treffen heuer etwas ganz Besonderes werden sollen: Schließlich feiern die Vereinten Nationen in diesem Jahr ihr 75-jähriges Bestehen. Der Festakt in New York, mit dem die Woche der Generaldebatte am Montag eingeläutet wurde, musste aufgrund der Pandemie jedoch in ein Online-Treffen umgewandelt werden, bei dem sich die meisten Redner, darunter Bundeskanzler Sebastian Kurz, per Videobotschaften einklinkten. Im großen Saal selbst war nur ein Vertreter pro Staat zugelassen.
Doch zum Feiern ist bei den Vereinten Nationen ohnehin kaum jemandem zumute. Die „Geißel des Krieges“, wie es in der Präambel der UN-Charta heißt, ist längst nicht mehr das einzige globale Problem, das es zu lösen gilt. Die Welt hat sich verändert; Klimawandel, Terrorismus, Massenvernichtungswaffen und Ungleichheiten gehören zu den dringlichsten Themen. Nun hat die Coronapandemie – laut UN-Generalsekretär António Guterres heute „die größte globale Sicherheitsbedrohung“ – gezeigt, wie schnell es in einer Krisensituation vorbei sein kann mit der internationalen Solidarität. Statt zusammenzuarbeiten, handelten viele Staaten in Eigenregie.
Appelle für Multilateralismus
„Multilateralismus ist keine Möglichkeit, sondern eine Notwendigkeit“, lautete daher das Motto, das die Vereinten Nationen für diese Woche auserkoren haben. „Heute haben wir einen Überschuss an multilateralen Herausforderungen und ein Defizit an multilateralen Lösungen“, sagte UN-Chef Guterres zu Beginn des Festakts und rief zu verstärkter Zusammenarbeit auf. Auch Kanzler Kurz erklärte in seiner Grußbotschaft: „Die Covid-19-Pandemie hat auf dramatischste Weise gezeigt, wie miteinander verbunden und voneinander abhängig wir sind.“ Kein Land könne das Virus allein bekämpfen oder andere globale Herausforderungen lösen.