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Nationalrat: Untergriffige Debatte über Corona-Gesetze

Herbert Kickl am Mittwoch im Nationalrat
Herbert Kickl am Mittwoch im NationalratAPA/ROBERT JAEGER
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FPÖ-Klubchef Herbert Kickl kassierte einige Ordnungsrufe während der Debatte im Hohen Haus. Auf der Regierungsbank nannte man ihn „Primar Kickl“. Die Gesetze wurden von ÖVP, SPÖ und Grünen beschlossen.

Die neuen Coronagesetze haben am Mittwochnachmittag mit den Stimmen von Koalition und SPÖ den Nationalrat passiert. Abgelehnt von allen anderen Fraktionen wurde der Misstrauensantrag der FPÖ gegen die gesamte Regierung. Auch das freiheitliche Begehr, eine Volksabstimmung über das Gesetzeswerk abhalten zu lassen, fand keine Mehrheit.

Dem vorausgegangen war eine polemische Debatte über die neue Gesetzgebung. Ziel der Angriffe von FPÖ und Neos war diesmal nicht nur die Koalition, sondern auch die SPÖ, weil sie mit ihrem angekündigten Ja auch im Bundesrat das rasche Inkrafttreten der neuen Bestimmungen zu Ausgangssperren und Corona-Ampel ermöglicht. Die attackierten Parteien sahen Wahlkampf-Getöse bzw. das Schüren von Ängsten.

>> Betretungsverbote und Ausgangssperren: Was die neuen Corona-Gesetze erlauben

Als Erster zu Wort kam der freiheitliche Klubchef, Herbert Kickl, der sich in einer von der Zweiten Präsidentin, Doris Bures (SPÖ), mit mehreren Ordnungsrufen versehenen Zornesrede an Koalition und SPÖ abarbeitete. Die Rede war etwa von "parlamentarischem Rollkommando" oder "X-Large-Zerstörungspolitik". Der SPÖ wiederum attestierte er, "der schwarz-grünen Dampfwalze" auch noch den Weg frei zu machen.

Kickl verweist auf Schweden

Kickl behauptet, dass die Koalition eine "zweite Welle" her-teste. Schweden sei ohne einschränkende Maßnahmen viel besser gefahren, in Österreich sei dagegen von der Regierung so etwas wie eine Spur der Verwüstung durch das Land gezogen worden. Dabei müsste die Devise "Gesundheit und Arbeit" bzw. "Gesundheit und Freiheit" heißen nicht jeweils oder. Eingebracht wurde ein Misstrauensantrag gegen die gesamte Regierung.

Unterstützung hielt der FPÖ-Klubchef wenig darauf von der erstmals wieder für Publikum geöffneten Tribüne, wo Freiheitliche ein "Stopp den Corona-Wahnsinn"-Transparent aufhängten. Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer ließ sich davon nicht beirren und nahm Kickl persönlich ins Visier: "Sie verhalten sich absolut verantwortungslos", attestierte sie dem freiheitlichen Fraktionsvorsitzenden und hielt ihm vor, zur Verunsicherung massiv beizutragen.

Beeindrucken werde sich die Koalition davon nicht lassen. Die Regierung habe es bis hierher geschafft und werde es auch weiter schaffen, das Vertrauen der Menschen zu gewinnen. Dazu gehörten auch die bereits eingeleiteten Hilfsmaßnahmen, strich Maurer etwa die Arbeitsstiftung hervor.

Neos kritisieren Macht des Gesundheitsministers

Neos-Gesundheitssprecher Gerald Loacker blieb in der Wortwahl zurückhaltender als Kickl, die Botschaft war aber nicht weniger deutlich. Er sprach von einem "Gesetz fürs Zusperren, Absperren und Wegschreiben". Keiner schreibe ein Gesetz, das Ausgangssperren regle, wenn er nicht Ausgangssperren plane.

Besonders sauer stößt Loacker auf, dass Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne) zu viel Macht in die Hand gegeben werde - das jenem Ressortchef, der bewiesen habe, keine Verordnung auf die Reihe kriegen zu können. Ins Eck der Corona-Leugner wollte sich Loacker dann doch nicht schieben lassen. Covid-19 beschrieb er durchaus als Risiko, allerdings als eines, das zu einem gut bewältigbaren Risiko geworden sei.

SPÖ verhandelte mit Regierung nach

Ganz so sieht das SPÖ-Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner offenbar nicht. Sie bedauerte, dass die Regierung den Sommer verschlafen habe. Mittlerweile gebe es viele Länder mit niedrigeren Infektionszahlen als Österreich. Es sei höchste Zeit, zum Agieren zu kommen; sie forderte beispielsweise rasch einen Plan für den Wintertourismus.

Dass nun ein verfassungskonformes Gesetz beschlossen werden könne, ist nach Meinung Rendi-Wagners der SPÖ zu verdanken. Sie verwies auf die lange Begutachtung und Erfolge in den Nachverhandlungen der Sozialdemokraten mit der Koalition. In Richtung FPÖ und Neos meinte sie, die SPÖ unterschiede sich von diesen darin, Verantwortung zu übernehmen und Parteitaktik und Wahlkampfgetöse zur Seite zu stellen.

„Primar Kickl“ 

Wie gefährlich die Pandemie ist, versuchte ÖVP-Mandatarin Gaby Schwarz zu erläutern, indem sie auf einen ihr bekannten 32-jährigen Sportler verwies, der der Krankheit erlegen sei. Auch ihren Klubkollegen Martin Engelberg, der mit Mittwoch wieder in den Nationalrat zurückgekehrt ist, habe es schwer erwischt gehabt. Daher gehe es der ÖVP um die Gesundheit der Österreicher. Denn auch Wirtschaft gehe nicht ohne Gesundheit: "Wir sind keine Blockwarte, uns geht es um die Gesundheit." 30 Millionen Infizierte weltweit zeigten, dass eine Wortwahl wie jene Kickls verzichtbar sei.

Er würde sich erwarten, dass es nicht ein "Parteispektakel" gebe, sondern die Gesundheit der Österreicher im Mittelpunkt stehe, meinte Anschober. Die vehementen Angriffe des FPÖ-Klubchefs ließen auch ihn ungewöhnlich polemisch werden. So spottete er, dass "Primar Kickl" vielleicht mehr wisse als die Gesundheitsexperten.

Ein Herunterspielen der Pandemie ist für den Minister verantwortungslos: "Wer das verharmlost, dem ist wirklich nicht mehr zu helfen." Erstes Ziel müsse sein, die Todeszahlen und aktiven Krankheitsfälle möglichst gering zu halten und einen neuerlichen Lockdown zu vermeiden. Das neue Gesetz helfe dabei, bringe mehr Effizienz und bessere demokratiepolitische Standards.

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(APA)

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