Medientage

Quo vadis, öffentlich-rechtliches Fernsehen?

Im Bild vlnr.: Der Deutsche Botschafter Ralf Beste, StR Peter Hanke, Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission Martin Selmayr, Moderatorin Rosa Lyon, US-Botschafter Trevor Traina und der britsche Botschafter Leigh Turner bei den Medientagen.
Im Bild vlnr.: Der Deutsche Botschafter Ralf Beste, StR Peter Hanke, Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission Martin Selmayr, Moderatorin Rosa Lyon, US-Botschafter Trevor Traina und der britsche Botschafter Leigh Turner bei den Medientagen.(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
  • Drucken

Wer sich "nicht digital aufstellt, hat ein Problem", sagt ZDF-Intendant Thomas Bellut. Bei den Medientagen ging es um den digitalen ORF, um seriöse Information und Fake News. Ministerin Edtstadler hielt die Keynote Speech.

Über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Fernsehens haben die Chefs von ORF, ZDF und SRG bei den Medientagen am Mittwoch diskutiert. Sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk mehr Möglichkeiten als in Österreich, um seine Inhalte zu verbreiten. ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz begründete, warum es auch in Österreich gesetzliche Änderungen brauche.

"Wer sich nicht digital aufstellt, der hat ein Problem", zeigte sich ZDF-Intendant Thomas Bellut überzeugt. Mittlerweile betreffe das auch die mittleren Jahrgänge, nicht nur die Jüngeren. In Deutschland darf das öffentlich-rechtliche Fernsehen Inhalte "online only" und "online first" ausspielen. In Österreich wird das durch das ORF-Gesetz bisher verhindert. Die Möglichkeit, Inhalte zuerst über die ZDF-Mediathek zugänglich zu machen, "treibt die Nutzerzahlen gewaltig nach oben", sagte Bellut. "Wenn diese Möglichkeit nicht da wäre, hätte ich ein Problem."

Die Jungen streamen eher, als dass sie fernsehen

Auch in Österreich brauche es diese gesetzlichen Möglichkeiten, forderte Wrabetz einmal mehr. Aber auch beim klassischen Fernsehen und Radio müsse sich der ORF weiterentwickeln und neue Formate finden. Auch das große Wort "Zeitenwende" ließ Wrabetz nicht aus. Die am heutigen Mittwoch veröffentlichte Bewegtbildstudie zeige, dass der lineare Fernsehkonsum bei den unter 30-Jährigen bereits unter 50 Prozent liege. In Zukunft müsse es daher drei Verbreitungswege für öffentlich-rechtliche Inhalte geben: den klassischen, über die geplante Plattform und über die Nutzung von Social-Media-Kanälen.

"Wo es ins Geld gehen wird, ist, wenn man sagt, man möchte im fiktionalen Bereich Formate anbieten, die gar nicht aufs klassische, lineare Fernsehen ausgerichtet sind, sondern den Plattformlogiken folgen", sagte Wrabetz. "Das wird nicht alles aus dem Bestand heraus finanzierbar sein." Derzeit arbeite der ORF an einem Format, das aus Elementen bestehe, die man als Clips einsetzen könne, in Summe aber auch einen abendfüllenden Film ergäben.

Breitenecker für gemeinsamen "Austria-Player"

In der Schweiz nutzten schon jetzt 34 Prozent der Bevölkerung kein lineares TV mehr, schilderte Gilles Marchand, Generaldirektor des Schweizer Rundfunksenders SRG, die Situation. Im November werde die SRG daher eine nationale, mehrsprachige Plattform mit Untertitelung lancieren. "In der Schweiz ist es möglich, alle Distributionswege zu nutzen. Die einzige Grenze, die wir haben, ist, wir können nicht kommerzialisieren", also keine digitale Werbung schalten, sagte Marchand.

Während Wrabetz auf einen eigenständigen ORF-Player hinarbeitet, der sich mit anderen Plattformen etwa über ein gemeinsames Login vernetzt, beharrt ProSiebenSat.1-Puls4-Geschäftsführers Markus Breitenecker auf einem gemeinsam "Austria-Player", wie er auch in einem aktuellen Interview mit dem "Horizont" betonte: "Im Endeffekt wird das Ergebnis sein: eine Streamingkooperation der heimischen Medienanbieter, ein 'Austria-Player' aller Bewegtbildangebote." Alleingänge einzelner Marktteilnehmer seien sicher nicht sinnvoll, so der Puls 4-Chef.

Hasspostings, Flucht, Gewalt und Rassismus

Breitenecker sollte auch bei den Medientagen im Anschluss an die Diskussion der drei Generaldirektoren ein "Plädoyer" halten. Der Puls 4-Chef betrat aber nur kurz die Bühne. Er wolle nicht darauf eingehen, warum er in vielen Punkten anderer Meinung sei als Alexander Wrabetz, sondern er wolle anderen eine Plattform geben, sagte er. Breitenecker machte Platz für die Puls 4-Mitarbeiter Verena Schneider, Gorgy Walid, Alexandra Wachter und Arabella Kiesbauer, die von ihren Erfahrungen mit Hasspostings, Flucht, Gewalt und Rassismus berichteten. "Wir müssen Opfern eine Stimme geben", sagte Wachter. "Die Worte, die wir verwenden, prägen das Bild dieser Gesellschaft." Auch Kiesbauer appellierte: "Das sind alles Themen, die wir Sie bitten, aufzugreifen und nach außen zu tragen."

Edtstadler: "Es braucht seriöse Information"

Mit den Herausforderungen der Coronakrise für die Medien haben sich zuvor Politiker und Diplomaten bei der Eröffnung der Österreichischen Medientage auseinandergesetzt. Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) forderte, dass die EU auch im Medienbereich ein weltweiter Vorreiter sein müsse. Es gehe um die Etablierung innovativer Standards wie bei der Datenschutzgrundverordnung sowie um EU-weite Bestimmungen zur Verantwortung und Transparenz großer Internetplattformen.

"Es braucht das Korrektiv der Medien als Vierte Säule im Staat", betonte Edtstadler in ihrer Keynote Speech. "Es braucht mehr denn je seriöse Information, auf die man sich verlassen kann", ergänzte die Ministerin, die sich nach einem Kontakt mit einer coronainfizierten Person in ihrem Stab und trotz zweier negativer Covid-Tests vorsorglich in Heimquarantäne befindet, in ihrer Videobotschaft. Edtstadler versicherte, dass sich die österreichische Bundesregierung zu einer Medienpolitik mit Grundwerten und Prinzipien bekenne: "Grundwerte wie Unabhängigkeit, Medienfreiheit und Pressefreiheit sowie Prinzipien wie Medien-Pluralismus sowie Förderung und Sicherstellung des Standorts und von Innovation."

Fake News: Manipultaion aus dem Ausland

Auch der Vertreter der EU-Kommission in Wien, Martin Selmayr, sprach sich in der anschließenden Diskussion für die Einführung von EU-Regelungen aus, um Plattformen zu regulieren. Er berichtete auch von "Kräften" etwa aus Russland und China, die zu manipulieren versuchten. "Missinformationen haben keine Chance, wenn Demokraten zusammenstehen", erklärte Selmayr. Der Kampf gegen Fake News gelinge, wenn die Wahrheit berichtet werde, wenn Politiker Fehler eingestünden, wenn der Wissenschaft vertraut werde und Informationen transparent seien. Medien spielten hier eine große Rolle. "Ich bin froh in Europa zu leben, wo ich informiert werde, wenn Regierungen Fehler machen."

Für den deutschen Botschafter Ralf Beste sind Soziale Medien übrigens keine Medien, sondern Kommunikationsplattformen. Traditionelle Medien verfügten im Gegensatz dazu über Filter, professionelles Faktencheck. Es gebe aber auch eine Art Zensur, bei der entschieden werde, was eine Nachricht sei und was nicht.

(APA/red.)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.