Pandemie

Corona verstärkte psychische Probleme in Wien, besonders bei Armutsbetroffenen

Die Presse/Fabry
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Bei einem Viertel der Wiener hat sich die psychische Gesundheit durch die Pandemie verschlechtert, ergab eine repräsentative Studie.

Dass die Corona-Pandemie massive Auswirkungen auf die Psyche der Menschen haben wird, davor warnen Experten schon lange. Dies ist nun auch mit Zahlen belegt, wie eine repräsentative Studie aus Wien zeigt. So hat sich bei 27 Prozent der Wiener die psychische Gesundheit während der Corona-Pandemie verschlechtert. Von jenen Wienern, deren psychische Gesundheit schon vor der Krise angeschlagen war, ist die Situation für mehr als die Hälfte (56%) noch schlimmer geworden.

Zu diesem Ergebnis kam eine repräsentative Erhebung, die von den psychosozialen Diensten Wien in Auftrag gegeben und vom Meinungsforschungsinstitut SORA durchgeführt wurde. Zwischen 27. April und 17. Mai 2020 wurden dafür 1.004 zufällig ausgewählte Wiener ab 16 Jahren befragt.

Menschen mit geringem Einkommen sind demnach besonders gefährdet von einer Verschlechterung der psychischen Situation. „Insbesondere soziale Ungleichheit ist ein zentraler Risikofaktor“, erklärte Martina Zandonella vom SORA Institut bei der Präsentation der Studie. So waren drei Viertel der Wiener besorgt, das die Schere zwischen Arm und Reich noch weiter aufgehen würde. 68 Prozent sorgten sich um die Wirtschaft und Arbeitsplätze.

„Mit dieser Studie zeigen wir eindeutig, welchen enormen Einfluss soziale Faktoren auf die psychische Gesundheit haben“, sagte Georg Psota, Chefarzt der Psychosozialen Dienste und Leiter des psychosozialen Krisenstabs der Stadt Wien. Gerade in einer Großstadt wie Wien spüre man die Auswirkungen sozialer Ungleichheit besonders stark. Psota zufolge müsse daher Armutsbekämpfung „im Zentrum der Maßnahmen gegen die psycho-sozialen Folgen der Corona-Pandemie stehen.“

Sieben Prozent dachten an Suizid

Die verschlechterte psychischen Gesundheit wurde anhand zehn Symtpome festgemacht. Rund 40 Prozent der Wiener erlebte Ängstlichkeit, Anspannung oder weniger Freude an Tätigkeiten. Bei rund 35 Prozent zeigte sich Erschöpfung, Niedergeschlagenheit oder Hoffnungslosigkeit. Jeweils rund ein Viertel der Wiener erlebte Sorgen vor Kontrollverlust, Einsamkeit oder Orientierungslosigkeit. Bei jeweils 13 Prozent zeigten sich schwere Konflikte in der Familie oder betrieben Substanzmissbrauch. Sieben Prozent der Wiener hatten an zumindest mehreren Tagen während der Pandemie Suizidgedanken.

Jede dritte Person in Wien hat zudem angegeben, Hilfe oder Unterstützung zu benötigen. Vor allem in den Bereichen Finanzielles und körperliche Gesundheit (jeweils 33 Prozent), soziale Beziehungen (26 Prozent), Arbeit und Ausbildung (24 Prozent) sowie psychische Gesundheit (24 %) gibt es Hilfebedarf. Besonderen Bedarf an Hilfsmaßnahmen hätten der Studie zufolge außerdem Personen mit einer Covid-19-Erkrankung oder Verdacht, Personen, die schon zuvor psychische Problem hatten sowie Alleinerziehende.

Solidarität unter Hochqualifizierten höher

Ganz alleingelassen fühlten sich die Wiener jedoch nicht. 60 Prozent der Wiener berichteten von einem deutlich stärken Zusammenhalt in ihrem Umfeld. Doch auch hier zeigt sich die Schere: So berichteten hochqualifizierte Arbeitnehmer (69 Prozent) und Besitzer von Eigentumswohnungen (72 Prozent) häufiger von der Solidarität in der Bevölkerung als etwa Geringqualifizierte (41 Prozent) oder Arbeitslose (49 Prozent).

In Zusammenhang mit dem Corona-Virus stieg vor allem das Vertrauen in das Gesundheitssystem, in Experten, in die Polizei und auch in die Bundesregierung. Auffallend ist, dass Personen mit Covid-19-Erkrankungen oder jenen, die nur ein Verdachtsfall waren, stark misstraut wurde.

So bekommen Sie Hilfe

Es gibt eine Reihe Hilfseinrichtungen und Anlaufstellen für Menschen in akuten Krisensituationen. Unter www.suizid-praevention.gv.at findet man Notrufnummern und Erste Hilfe bei Suizidgedanken.

Telefonische Hilfe gibt es auch bei:

. Corona-Sorgenhotline der Stadt Wien (Mo-So, 8-20 Uhr): 01 4000 53000

· Kriseninterventionszentrum (Mo-Fr 10-17 Uhr): 01/406 95 95, kriseninterventionszentrum.at

· Rat und Hilfe bei Suizidgefahr 0810/97 71 55

· Psychiatrische Soforthilfe (0-24 Uhr): 01/313 30

· Sozialpsychiatrischer Notdienst 01/310 87 79

· Telefonseelsorge (0-24 Uhr, kostenlos): 142

· Rat auf Draht (0-24 Uhr, für Kinder & Jugendliche): 147

. Männerberatung (10-18 Uhr, Mo-Fr): 0720/704 400

. Gesprächs- und Verhaltenstipps: bittelebe.at

Hilfe für Menschen mit Suizidgedanken und Angehörige bietet auch der noch recht junge Verein „Bleib bei uns“. www.bleibbeiuns.at



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(twi)

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