Coronavirus

Sperrstunde 23 Uhr: Berlin sagt den Partys den Kampf an

Ein geschlossenes Lokal in Berlin-Kreuzberg.
Ein geschlossenes Lokal in Berlin-Kreuzberg.REUTERS
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Zwischen 23 und 6 Uhr sind auch Versammlungen im Freien von mehr als fünf Personen verboten. In ganz Deutschland steigt die Sorge vor höheren Infektionszahlen, wie sie in den Nachbarländern schon längst Realität sind.

Berlin geht mit einem "Zerstreuungsgebot" gegen eine zunehmende Ausbreitung des Coronavirus vor. Demnach dürfen Gaststätten nur noch bis 23 Uhr öffnen, beschließt der Senat. In der Zeit zwischen 23 und 6 Uhr dürfen sich höchstens bis zu fünf Personen gemeinsam im Freien aufhalten. In privaten Räumen dürfen nur noch bis zu zehn Menschen zusammenkommen. Damit sollen unter anderem Partys verhindert werden.

Im Deutschen Bundestag gilt seit Dienstag außerdem eine Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes. "Der Bundestagspräsident hat sich entschieden, eine allgemeine Maskenpflicht im Parlament anzuordnen, weil die Entwicklung der Sars-CoV2-Pandemie weiterhin sehr ernst zu nehmen ist", teilte die Parlamentsverwaltung am Montag in Berlin mit. Die Anordnung sei zunächst bis zum 17. Jänner befristet.

Bislang galt für den Bundestag nur eine Empfehlung zum Maskentragen. Teile der Hauptstadt überschreiten aktuell die Schwelle von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen, die für ein innerdeutsches Risikogebiet gilt.

Über 2800 Neuinfektionen

Die Zahl erfasster Neuinfektionen mit dem Coronavirus in ganz Deutschland ist unterdessen so hoch wie seit der zweiten Aprilhälfte nicht mehr. Innerhalb eines Tages meldeten die Gesundheitsämter 2828 neue Corona-Infektionen, wie das Robert Koch-Institut (RKI) am Mittwochmorgen bekanntgab. Das sind über 150 mehr als am Freitag, als mit 2673 Neuinfektionen innerhalb eines Tages der zuvor geltende Höchstwert seit der zweiten Aprilhälfte gemeldet worden war. Verglichen mit dem deutlich kleineren Tschechien, das am Dienstag 4000 Neuinfektionen erfasste, noch kein riesiges Problem. Doch die Tendenz ist steigend, die Sorge der Politik wächst.

Es sei notwendig, dass sich die gesamte Bevölkerung für den Infektionsschutz engagiere, mahnte das RKI in seinem Lagebericht vom Dienstagabend. Derzeit liege die Zahl der Neuinfektionen je 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen in Berlin und Bremen sehr deutlich, in Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Hessen deutlich über dem bundesweiten Durchschnittswert. Fallhäufungen werden demnach derzeit insbesondere im Zusammenhang mit Feiern im Familien- und Freundeskreis sowie unter anderem in Alten- und Pflegeheimen, Krankenhäusern sowie verschiedenen beruflichen Settings erfasst. Der Anteil der Reiserückkehrer aus dem Ausland sei deutlich gesunken.

Gesundheitssystem noch weit weg von Kapazitätsgrenze

Seit der Woche vom 31. August bis 6. September steigt nach RKI-Daten der Anteil älterer Bevölkerungsgruppen an den Neuinfektionen wieder. Entsprechend zeichnet sich ein Anstieg bei den intensivmedizinisch behandelten Covid-19-Patienten ab. Laut aktuellem RKI-Bericht (Stand 6.10., 13.15 Uhr) werden derzeit 449 Corona-Infizierte intensivmedizinisch behandelt, 219 davon werden beatmet. Vor einer Woche (29.9.) hatte der Wert noch bei 352 (195 beatmet) gelegen, in der Woche davor (22.9.) bei 278 (151 beatmet). Rund 8900 Intensivbetten sind in den deutschen Kliniken derzeit noch frei.

Zum Vergleich: Am 18. April, als die Zahl erfasster Neuinfektionen bei 3.609 gelegen hatte, wurden nach RKI-Daten 2922 Menschen intensivmedizinisch behandelt und davon 2180 (75 Prozent) beatmet. Im April hatte es noch wesentlich weniger Tests auf Sars-CoV-2 gegeben als jetzt, vor allem leichte bis symptomlose Infektionen wurden seltener erfasst.

Der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), dass das deutsche Gesundheitssystem auf die derzeitige langsame Zunahme der Infektionszahlen noch ohne große Probleme reagieren könne. "Irgendwann kommen wir aber in Bereiche, in denen die Kapazitätsgrenzen des Gesundheitswesens überschritten werden. Dann könnte es zu sehr problematischen Zuständen kommen."

Im Moment sei man von diesem Szenario noch weit entfernt, so Montgomery. Insgesamt sei aber davon auszugehen, dass das Virus "uns mindestens bis Ende 2021 intensiv begleiten" wird. Auch ein zugelassener Impfstoff müsse schließlich erst produziert und verteilt werden.

300.000 Infektionen seit Ausbruch des Virus

Seit Beginn der Corona-Krise haben sich nach Angaben des RKI mindestens 306.086 Menschen in Deutschland nachweislich mit dem Virus SARS-CoV-2 infiziert (Datenstand 7.10., 0.00 Uhr). Die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion liegt nach RKI-Angaben bei 9562. Das sind 16 mehr als am Vortag. Rund 267.700 Menschen haben die Infektion nach RKI-Schätzungen überstanden.

Die Reproduktionszahl, kurz R-Wert, lag nach RKI-Schätzungen in Deutschland laut Lagebericht vom Dienstag bei 1,15 (Vortag: 1,21). Das bedeutet, dass ein Infizierter im Mittel mehr als einen weiteren Menschen ansteckt. Der R-Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen etwa eineinhalb Wochen zuvor ab.

Zudem gibt das RKI in seinem aktuellen Lagebericht ein sogenanntes Sieben-Tage-R an. Der Wert bezieht sich auf einen längeren Zeitraum und unterliegt daher weniger tagesaktuellen Schwankungen. Nach RKI-Schätzungen lag dieser Wert bei 1,08 (Vortag: ebenfalls 1,08). Er zeigt das Infektionsgeschehen von vor 8 bis 16 Tagen.

(Reuters/APA/dpa)

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