100 Jahre Volksabstimmung

Van der Bellen entschuldigt sich bei Kärntner Slowenen für "erlittenes Unrecht"

"Kärnten ist einen weiten Weg gegangen, einen Weg der Versöhnung": Alexander Van der Bellen im Wappensaal des Klagenfurter Landhauses.
"Kärnten ist einen weiten Weg gegangen, einen Weg der Versöhnung": Alexander Van der Bellen im Wappensaal des Klagenfurter Landhauses.(c) APA/BUNDESHEER/PETER LECHNER
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Volksgruppenvertreter Valentin Inzko spricht von einer „historischen Entschuldigung". Mit Borut Pahor nahm das erste Mal ein slowenisches Staatsoberhaupt an einer Feier zum 10. Oktober teil.

Zum 100. Jahrestag der Kärntner Volksabstimmung haben Österreich und Slowenien einen historischen Versöhnungsakt gesetzt. Klagenfurt sei heute "symbolisch die Hauptstadt Europas", sagte der slowenische Präsident Borut Pahor am Samstag im Klagenfurter Landhaus, wo er gemeinsam mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen einen Schlussstrich unter Jahrzehnte des Volksgruppenkonflikts zog. Van der Bellen überraschte dabei mit einer Entschuldigung an die Kärntner Slowenen.

Sloweniens Präsident Borut Pahor, Bundespräsident Alexander Van der Bellen und der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) im Rahmen der Feierlichkeiten.
Sloweniens Präsident Borut Pahor, Bundespräsident Alexander Van der Bellen und der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) im Rahmen der Feierlichkeiten.(c) APA/BUNDESHEER/PETER LECHNER

Van der Bellen und der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) hatten Pahor am Samstagvormittag mit militärischen Ehren im Landhaushof empfangen. Pahor nahm als erster Spitzenvertreter des südlichen Nachbarlandes an der Feier teil, die jahrzehntelang eine Machtdemonstration deutsch-nationaler Kräfte gewesen war. Dass die Stimmen der slowenischsprachigen Bevölkerung Südkärntens für Österreich entscheidend gewesen waren, "wurde viele Jahre bei den 10.-Oktober-Feierlichkeiten verschwiegen", räumte Kaiser in seiner Festansprache ein. Diesmal hoben mehrere Festredner diese Tatsache hervor, darunter auch der Bundespräsident.

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Der slowenische Präsident konzentrierte sich in seiner Rede auf die positiven Aspekte der jahrhundertelangen gemeinsamen Geschichte. "In diesem wunderschönen Wappensaal hat der Fürstenstein seine Heimat gefunden. Auf ihm haben die Herrscher in slowenischer Sprache ihren Eid geleistet, später auf Deutsch. Nicht jedes Volk hat so einen Stein, auf dem es aufbauen kann. Unsere beiden Völker teilen sich ihn, er gehört beiden", sagte der mit stehenden Ovationen bedachte slowenische Präsident. Wie Van der Bellen beschwor er die gemeinsame europäische Zukunft der beiden Nachbarländer. "Europa ermöglicht uns zu sein, was wir sind. Wir können die Vergangenheit nicht ändern, aber wir können die Zukunft ändern. Das Glück ist auf der Seite der Mutigen", sagte er.

Van der Bellen entschuldigt sich für „erlittenes Unrecht"

"Kärnten ist einen weiten Weg gegangen, einen Weg der Versöhnung", sagte Van der Bellen. "Manch offene Wunde ist weitgehend verheilt." Zugleich übte der Selbstkritik und meinte, dass Österreich dem in Artikel 8 der Bundesverfassung dargelegten Minderheitenschutz nicht immer gerecht geworden sei.

"Für das erlittene Unrecht und für die Versäumnisse bei der Umsetzung von verfassungsmäßig garantierten Rechten möchte ich mich hier und heute als Bundespräsident bei Ihnen, liebe Angehörige der slowenischen Volksgruppe, entschuldigen", sagte der Bundespräsident unter dem Applaus der Teilnehmer des Festaktes in deutscher und slowenischer Sprache.

„Historische Entschuldigung“ vs. „unangebracht"

Der Vorsitzende der größten Dachorganisation der Kärntner Slowenen, Valentin Inzko, reagierte überrascht und erfreut auf die "historische Entschuldigung" des Bundespräsidenten. "Die heutige Entschuldigung haben wir nicht erwartet. Auf dieser neuen Grundlage können wir weiter aufbauen", teilte der Chef des Rates der Kärntner Slowenen der APA mit.

Als "unangebracht" bezeichnete hingegen FPÖ-Chef Norbert Hofer die "Demutsgesten" des Bundespräsidenten. "Die einseitige Entschuldigung des Bundespräsidenten bei den Kärntner Slowenen ist für die Kärntner Einigung nicht hilfreich", erklärte Hofer in einer gemeinsamen Aussendung mit dem FPÖ-Landeschef Gernot Darmann. Vor der Feier hatte Hofer gegenüber der APA lobende Worte für die gemeinsame Feier der beiden Präsidenten gefunden und sie als "sehr, sehr ehrenvoll" bezeichnet.

„In Vielfalt geeint"

Kaiser sagte in seiner Rede, dass das Land Kärnten "ganz bewusst" das EU-Motto "In Vielfalt geeint" für das 100-Jahr-Jubiläum gewählt habe. "Die wechselvolle Geschichte der Kärntnerinnen und Kärntner ist inklusive der vielen schmerzvollen Erfahrungen geradezu symbolhaft für die gesamteuropäische Entwicklung", sagte er. Der SPÖ-Politiker dankte explizit seinem Vorgänger Gerhard Dörfler (FPÖ) für die Lösung der Ortstafel-Frage im Jahr 2011, während er zugleich Kritik an Minderheitenvertretern anklingen ließ. "Justament-Standpunkte mit überzogenen Forderungen helfen letztendlich niemandem", sagte Kaiser. Als "Ironman-Finisher" wisse er, dass es immer darauf ankomme, "das Ziel im Auge zu behalten, das Tempo einzuhalten, manchmal das Tempo etwas zurückzunehmen".

Ein klares Bekenntnis zum Minderheitenschutz legten auch Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und die für Volksgruppen zuständige Ministerin im Kanzleramt, Susanne Raab (ÖVP), ab. Es sei eine "historische Verantwortung" Österreichs, den Bestand seiner sechs Volksgruppen nachhaltig zu sichern, sagte Raab. "Wir bekennen uns vollumfänglich zu Artikel 8 Absatz 2 unserer Bundesverfassung", hielt Kogler fest. Beide verwiesen auch auf die kurz vor dem Jubiläum beschlossene Verdoppelung der - seit 25 Jahren nicht valorisierten - Volksgruppenförderung. Raab wertete die Teilnahme Pahors als "wunderschönes Zeichen" und "wertvolle Geste". Kogler äußerte vor diesem Hintergrund die Hoffnung, "dass der 10. Oktober in Zukunft doch noch ein Feiertag für die slowenische Volksgruppe werden kann".

Zunehmende neue Perspektiven

Positive Töne schlug der Festredner der slowenischen Volksgruppe, Manuel Jug, an. Die großen Konflikte seien "überwunden" und es würden "zunehmend neue Perspektiven eingenommen", sagte der 23-jährige Vorsitzende des Zentralverbandes slowenischer Organisationen. Er dankte dabei auch dem Team der SPÖ-ÖVP-Landesregierung, "das sich vorbildlich für die Belange der slowenischen Volksgruppe einsetzt und die Zweisprachigkeit, beispielsweise im Rahmen von Carinthija2020, auch vorlebt". "Wir brauchen Versöhnung, Empathie und auch das Aufeinander-Zugehen. Wir brauchen einfach Liebe", sagte er unter lang anhaltendem Applaus.

Unter den Festgästen befand sich auch die Kärntner Bundesministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) sowie die slowenische Ministerin für Auslandsslowenen, Helena Jaklitsch. Entgegen ursprünglichen Erwartungen nicht gekommen war der slowenische Außenminister Anze Logar. Sein Ministerium äußerte sich in einer Aussendung zum 10. Oktober, in der unter anderem neuerlich auf eine Erfüllung von Artikel 7 des Staatsvertrags gepocht wurde.

Zweisprachiger Kindergarten eröffnet

Während Raab und Jaklitsch am späten Nachmittag in der Rosentaler Gemeinde St. Jakob an einer lokalen Gedenkfeier teilnehmen wollten, hatten die beiden Präsidenten noch zwei symbolische Akte auf dem Programm. Zunächst sollte eine zweisprachige Skulptur des Künstlers Thomas Hoke im Amt der Kärntner Landesregierung eingeweiht werden. Danach wollten Van der Bellen und Pahor einen zweisprachigen Kindergarten in Klagenfurt eröffnen.

Symbolisch wurden die Feierlichkeiten mit der Eröffnung eines zweisprachigen Kindergartens abgeschlossen.
Symbolisch wurden die Feierlichkeiten mit der Eröffnung eines zweisprachigen Kindergartens abgeschlossen.(c) APA/PETER LECHNER

Nicht alle in Feierlaune

Ganz einhellig war die Feierstimmung in Klagenfurt jedoch nicht. Vertreter der Kärntner slowenischen Jugend hielten am frühen Nachmittag in der Klagenfurter Innenstadt eine Protestkundgebung ab, um für Minderheitenrechte und gegen die fortgesetzte Ehrung von umstrittenen Abstimmungshelden wie dem Ex-Nazi Hans Steinacher zu protestieren. In einer Unterkärntner Gemeinde war Steinacher erst in der Vorwoche ein neues Denkmal enthüllt worden. Van der Bellen hatte im APA-Interview gesagt, dass er solche Akte "nicht nachvollziehen" könne.

Das damals überwiegend slowenischsprachige Südkärnten war nach dem Ersten Weltkrieg vom damaligen Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen beansprucht und besetzt. Dies führte zum Kärntner Abwehrkampf mit rund 400 Toten. Bei der Volksabstimmung am 10. Oktober 1920 votierten die Bewohner der Abstimmungszone, die auch die südliche Hälfte des Wörthersees umfasste, mit 59 Prozent für Österreich. Damit blieb die Gebirgskette der Karawanken die südliche Landesgrenze Kärntens.

(APA)

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