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USA

Es war einmal: Das gelobte Land der USA

Die multikulturelle Welt der USA entstand durch Zuwanderung - befeuert von Mythen und der Suche nach Facharbeiten. Seit Mitte der Neunzigerjahre versuchten kulturkonservative Kreise das Bild von den USA als „Nation of Immigrants“ zu korrigieren.

Geschichte Magazin: Die USA

Die Liste der Hallers ist sehr lang. Marie, Otto, Franziska, Melanie, Fritz usw., insgesamt 3789 wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Hafen von New York registriert. Der Autor dieser Zeilen kann nur vermuten, ob eine oder einer von ihnen zu seiner Verwandtschaft zählt. Sie kamen aus Deutschland, Dänemark, der österreichisch-ungarischen Monarchie, der Schweiz, auch die Namen ihrer Schiffe wurden festgehalten. Sie waren ein paar Tausend von zwölf Millionen Einwanderern, die sehnsüchtig auf den Anblick der Freiheitsstatue, das Symbol der Neuen Welt, warteten. 1892, als die meisten Einwanderer aus Europa nach Amerika strömten, eröffnete die Einwanderungsbehörde hier, an der Südspitze Manhattans, das Durchgangslager Ellis Island.

In einem Backsteingebäude mit vier trutzigen Türmen, in einer 5000 Personen fassenden Halle, wurden die Papiere der Migranten und ihre Gesundheit kontrolliert, hier entschied sich, wer einreisen durfte und wer nicht. 98 Prozent konnten bleiben. Doch hatte jemand eine ansteckende Krankheit oder erschien er zu schwach für die Arbeit, wurde er zurückgeschickt, auch kranke Kinder über zwölf Jahre mussten die Rückreise antreten, möglicherweise allein, das entschieden die Eltern. So wurde Ellis Island auch die „Insel der Tränen“ genannt. Rund 40 Prozent der US-Amerikaner haben Vorfahren, die in den Hallen und Gängen von Ellis Island durchgeschleust wurden.

Dieser Artikel entstammt unserem neuen Magazin: Die USA - Geschichte einer Weltmacht

Die Amerika-Spezialisten der „Presse“ begeben sich auf Spurensuche nach dem Selbstverständnis einer Supermacht, beginnend bei der Kolonialisierung des Kontinents bis ins 21. Jahrhundert.

Im Lauf der Geschichte erfanden sich die USA immer wieder neu. Nur wer die Entwicklung, die Mythen und Visionen dieses Landes kennt, kann seine Gegenwart verstehen.

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Höhepunkte waren die Jahre 1892 und 1910. Die Gesichter der meisten Ankommenden waren ängstlich, die Menschen stumm und todmüde, sie trugen schäbige Koffer, manchmal nur Kartons mit ihrem Hab und Gut, die Kleider am Leib waren oft die einzigen, die sie hatten. Groß an ihnen war nur die Hoffnung. „Seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erschüttert eine ungeheure Hoffnung Europa“, schrieb der französische Schriftsteller Georges Perec in seinem Buch „Ellis Island“: „Für alle getretenen, unterdrückten, geknechteten, versklavten, hingeschlachteten Völker, für alle ausgebeuteten, ausgehungerten, von Epidemien heimgesuchten, durch Jahre des Mangels und der Hungersnot dezimierten Klassen zeichnete sich auf einmal ein gelobtes Land ab: Amerika, ein jung- fräuliches Land, allen offenstehend, ein freies und fruchtbares Land...“

Sie kamen als Iren, Ungarn, ukrainische und polnische Juden, Italiener aus Apulien, und sie wurden Amerikaner. Die individualistische und plu- ralistische Gesellschaft der Einwanderer errang eine neue und einheitliche Gesellschaftsform, letztendlich nationale Identität. Wie wurde dieser Prozess in Gang gesetzt? Wie wurden die Einwanderer aus verschiedenen Kulturen assimiliert und trotz ihrer Eigenarten integriert, wie wurden sie „echte Amerikaner“?

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