Triumphaler Einzug von George Washington 1783 in New York.
Geschichte

US-Präsidenten: "Mein Gott, wie kann nur jemand dieses Amt anstreben?"

Die USA hatten 1789 bereits eine Verfassung, doch die Rolle des Präsidenten darin entwickelte sich erst langsam. Auszug aus dem neuen „Presse"-Magazin „Die USA. Geschichte einer Weltmacht“.

Am Ende des Unabhängigkeitskriegs gegen die Kolonialmacht England befürchteten die Offiziere der siegreichen amerikanischen Armee, vom  entscheidungsschwachen Kongress um den Lohn für ihre Dienste gebracht zu werden. Es kam zu geheimen Plänen, den populären Oberbefehlshaber George Washington zum Diktator oder König zu erheben. Doch der stellte im März 1783 die Disziplin wieder her: Am Prinzip der Unterordnung der militärischen unter die politische Führung dürfe auf keinen Fall gerüttelt werden. Ohne starke Zentralregierung keine Union, war seine Vision der Nation. Da das gefährdet schien, stellte er sich an die Spitze des Verfassungskonvents von Philadelphia. Er wurde inzwischen schon als Steuermann des Staatsschiffs gesehen und brauchte, als es um das Amt eines Präsidenten ging, nur mehr warten, gerufen zu werden, einen Wahlkampf hatte er nicht nötig. 

Überhaupt verhielt er sich sehr zögerlich: Fehlte es ihm wirklich an politischem Ehrgeiz oder tat er nur so? Erschien ihm die Aufgabe zu schwer? Am 4. Februar 1789 wurde er jedenfalls erster Präsident der Vereinigten Staaten, es gab im Wahlmännerkollegium keine Gegenstimme. Seine Fahrt nach New York, wo am 30. April die Inauguration statt fand, glich einem Triumphzug. Das Experiment einer neuen republikanischen Staatsform konnte beginnen, in einer von Absolutismus und Despotie geprägten Welt, einige Monate bevor in Frankreich die Französische Revolution ausbrach. 

Die USA hatten 1789 bereits eine Verfassung, doch als erster Präsident musste Washington dem Amt erst Konturen verleihen. Nur in recht allgemeinen Worten umschrieb nämlich die Verfassung die Zuständigkeit des Präsidenten. So kam es dazu, dass sich seine Macht weitgehend aus dem politischen Kräftefeld ergeben konnte, sie war dem politischen Wandel unterworfen, bis heute. Die Vorstellungen damals waren noch sehr diffus, klar war nur: Was man einleitete, würde Maßstäbe für die Zukunft setzen, und konnte eventuell schwer rückgängig gemacht werden. 

Geschichte Magazin

Dieser Artikel entstammt unserem neuen Magazin: Die USA - Geschichte einer Weltmacht

Die Amerika-Spezialisten der „Presse“ begeben sich auf Spurensuche nach dem Selbstverständnis einer Supermacht, beginnend bei der Kolonialisierung des Kontinents bis ins 21. Jahrhundert.

Im Lauf der Geschichte erfanden sich die USA immer wieder neu. Nur wer die Entwicklung, die Mythen und Visionen dieses Landes kennt, kann seine Gegenwart verstehen.

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Ministerämter mussten anfangs erst festgelegt werden, auch da war die Verfassung noch mit Leben zu erfüllen. Der Präsident setzte durch, dass die Minister und Beamten ihm allein verantwortlich waren, er konnte sie auch entlassen. Zum Glück hatte George Washington durch die ersten Kongresswahlen Repräsentantenhaus und Senat auf seiner politischen Linie. Hier dominierten die Föderalisten, die die Verfassung unterstützten und eine enge Föderation der ehemaligen, nur locker verbundenen Kolonien wollten. Sein Vetorecht wollte der Präsident nur sparsam ausnützen, nur bei Gesetzen, die er für verfassungswidrig hielt. Er sah sich als Hüter der Verfassung. Zudem trat ein selbstbewusster Supreme Court auf, eine unabhängige dritte Regierungsgewalt. Insgesamt war diese erste Amtsperiode von großem Konsens geprägt, aber nicht spannungsfrei. 

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