Rapid und Sturm klammern sich an Strohhalme

Christian Gratzei
Christian Gratzei(c) GEPA pictures (Gepa Pictures/ Christian Walgram)
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Nach den respektablen Auftritten im Europacup trauen sich beide Klubs auch in den schwierigen Auswärtsspielen noch eine Überraschung zu. Sturm-Coach Foda meint: "Alles ist noch möglich".

Gut gespielt, aber dennoch nicht belohnt worden. Die Stimmung bei den österreichischen Europa League-Klubs Rapid und Sturm schwankte nach Spielende zwischen Stolz auf die eigene Leistung und Hadern mit dem Resultat. Aufgegeben haben sich beide Teams aber noch nicht. Auch in den schwierigen Auswärtspartien sei noch einigen drin, heißt es sowohl in Wien als auch in Graz.

"Der Vorteil liegt bei Villa, aber unsere Chance lebt. Wir wollen uns an diesen Strohhalm klammern. Das 1:1 ist nicht das Resultat, das wir uns gewünscht und erhofft haben, aber wir werden uns im Rückspiel nicht verstecken und können auch in Birmingham ein Tor machen", erklärte etwa Rapid-Trainer Peter Pacult nach dem Remis gegen Aston Villa.

Pacult: "Es war mehr drin"

Der Rapid-Coach trauerte den zahlreichen hochkarätigen Möglichkeiten nach. "Es war mehr drin. Die Chancen auf einen Sieg wären dagewesen." So blieb die Erkenntnis, dass man auch von einer verstärkten B-Mannschaft eines Premier-League-Klubs viel lernen kann. "Wenn man sieht, wie schnell sie die Pässe spielen, wie sie sich mit und ohne Ball bewegen, wie robust sie den Ball behaupten - da kann mann einiges mitnehmen", sagte Pacult, der im Rückspiel eine personell prominenter besetzte Villa-Mannschaft erwartet.

Auf Gedankenspiele, wie die Partie mit dem wenige Stunden zuvor zu den Glasgow Rangers transferierten Nikica Jelavic ausgegangen wäre, wollte sich der Wiener nicht einlassen. Er sei enttäuscht vom Abgang des kroatischen Stürmers, aus heiterem Himmel sei der Transfer aber nicht gekommen. "Für mich war es nicht dieser Knaller, wenn man weiß, was im Vorfeld alles gewesen ist. Enttäuschend war nur die Art und Weise, und dass es acht Stunden vor dem Match passiert ist."

Lavric kommt nicht

Bis spätestens 31. August soll nun ein Nachfolger gefunden werden. "Aber wo gibt es jetzt diese Stürmer, die fit sind und uns weiterhelfen?", fragte sich Pacult. "Wenn ich es mir aussuchen könnte, würde ich den Torschützenkönig der vergangenen Saison in Spanien (Anm.: Lionel Messi) nehmen." Der Weltfußballer des FC Barcelona wird es jedoch ebensowenig werden wie Klemen Lavric, dessen Verpflichtung von Pacult definitiv ausgeschlossen wurde.

Laut Kapitän Steffen Hofmann hatte der Jelavic-Abschied auf die Rapid-Spieler im Villa-Match "gar keinen Einfluss", Pacult war gegenteiliger Meinung. "Es war für alle Beteiligten nicht einfach, alle waren betroffen", meinte der Betreuer, der mit dem Jelavic-Ersatzmann Atde Nuhiu zufrieden war. "Er hat seine Sache okay gemacht."

Nuhiu erfuhr erst bei der Besprechung von seinem Platz in der Startformation. "Am Anfang war ich schon nervös, doch das Vertrauen des Trainers hat mich sehr gefreut." Der ÖFB-U21-Teamspieler wurde von der Uefa als Rapid-Torschütze geführt. "Ich habe gespürt, dass ich den Ball berührt habe", schilderte die Ex-Rieder die Situation bei der Hofmann-Flanke, die im Tor landete.

"Absoluter Wahnsinn"

Nuhiu könnte auch im Rückspiel seine Chance bekommen, schließlich darf Rapid für die Retourpartie laut Alfred Hörtnagl keinen Spieler mehr nachnominieren. Der Sportdirektor war auch Stunden danach noch über das Verhalten von Jelavic erbost. "Am Tag einer so wichtigen Partie zu sagen, nicht mehr für Rapid spielen zu wollen, ist unglaublich. Das zeigt, welchen Charakter er hat. Das ist absoluter Wahnsinn, fern meiner Vorstellungskraft. Ich habe so etwas weder als Spieler noch als Funktionär erlebt."

Noch am Mittwoch hatte Hörtnagl gemeint, er müsse sich als Sportdirektor infrage stellen, wenn er Jelavic kurz vor einem wichtigen Spiel die Freigabe erteilen würde. "Wenn ich zugestimmt hätte, ihn ziehen zu lassen, hätte ich mich infrage stellen müssen. Aber das habe ich nicht gemacht", rechtfertigte sich Hörtnagl.

Juventus Turin, die Minimalisten

Auch das Fazit von Sturm-Trainer Franco Foda fiel nach der 1:2-Heimniederlage gegen Juventus Turin zwiespältig aus. Die Steirer zeigten vor allem in der zweiten Hälfte bessere Leistung als der Fußball-Gigant aus Italien, der durch zwei Treffer aus Standardsituationen mit dem "minimalen Aufwand zum maximalen Erfolg kam", wie die "Gazzetta dello Sport" befand.

"Das ist sehr schade, wenn man gegen Juve ein 1:1 hat, gut spielt, gute Chancen hat und dann noch verliert", sagte Sturm-Tormann Christian Gratzei, der einsehen musste: "Das ist halt auch die Klasse, die Juventus besitzt." Ähnlich sah es Foda. "Wenn man am Schluss nicht aufpasst, wird das von so einem Gegner bestraft", sagte der Deutsche, der seiner engagierten Mannschaft ansonsten nur das Beste konzedierte. "Sie hat toll gespielt und alles umgesetzt, was wir wollten."

Sturm nützte die schon nach 20 Minuten einsetzende Passivität der Italiener, die sich nach dem frühen Führungstor durch Leonardo Bonucci (16.) auf das Notwendigste beschränkten und des öfteren auch die mangelnde Matchpraxis erkennen ließen. "Juve ist leider noch nicht so weit wie erhofft, es gibt noch Höhen und Tiefen, aber wir arbeiten daran, dass es besser wird", meinte der Coach der Turiner, Luigi del Neri, nach dem etwas glücklichen Erfolg.

Kainz, Pürcher und Klem setzen Juve zu

Fodas Zufriedenheit entsprang nicht zuletzt der Tatsache, dass mit Florian Kainz, Dominic Pürcher und ab der 72. Minute Christian Klem auch junge, unerfahrende Spieler ihren Mann standen. "Die hätten vor zwei Monaten noch davon geträumt, gegen Juve zu spielen, und sie haben ihre Sache gut gemacht", sagte Foda. Insbesondere Kainz erhielt Lob, der kurzfristig für verletzten ÖFB-Teamkicker Andreas Hölzl einsprang und eine respektlose Vorstellung zeigte. "Er hat mir im Training gezeigt, dass er bereit ist. Er ist ein Spieler, der sich etwas zutraut, ein Spieler mit Zukunft."

Kainz selbst zeigte auch beim Interview keine Scheu. "Ich bin stolz auf unsere Leistung, aber aus zwei Standards darf man nicht zwei Tore kriegen", meinte der 17-jährige, der bisher nur als Wechselspieler Einsätze erhalten hatte. "Ich habe es aus dem Fernsehen erfahren, dass ich spiele", sagte Kainz, der eines der Foda-Interviews vor der Partie auf einem TV-Schirm erspäht hatte. "Der Trainer hat mir gesagt: 'Du hast nichts zu verlieren, geh einfach rein.'"

Sturm spielte nach dem Seitenwechsel trotz optischer Überlegenheit lange Zeit freilich nur wenige große Chancen heraus. Die Schlussoffensive zeigte aber Wirkung. Gordon Schildenfeld, der schon zu Beginn der zweiten Hälfte bei zwei Möglichkeiten Kopf und Fuß im Spiel hatte, köpfelte nach Bukvas Freistoß den Ausgleich (82.). Und die Grazer blieben am Drücker, Imre Szabics hatte kurz darauf sogar den Siegtreffer vor Augen. Anstatt den Triumph perfekt zu machen, kassierte man in der Nachspielzeit nach einer Del-Piero-Ecke durch Amauri aber noch das Tor zum 1:2.

"Juve war das schwächere Team"

"Wir waren sehr gut eingestellt, haben ihnen alles abverlangt und hatten auch genug Torchancen", befand Szabics. "Der Unterschied, wie er im Budget da ist, den habe ich am Feld nicht gesehen. Juve war das schwächere Team, weil sie aus dem Spiel heraus nicht so viele Chancen hatten." Der Ungar war überzeugt: "Mit dieser Leistung haben wir uns Respekt erkämpft und können stolz sein. Wenn wir im Rückspiel in Führung gehen, ist alles drin. Die Chancen stehen 30:70."

Auch Foda hat noch Hoffnung. "Das ist ein Ergebnis, wo noch alles möglich ist", meinte der Coach. Ins selbe Horn stieß Gratzei: "Natürlich kann man noch etwas machen. Die Sache ist sicher verdammt schwer, aber wir glauben an unsere Chance."

(APA)

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