Coronavirus

Deutsche Intensivmediziner befürchten dramatische Lage

Mitarbeiterinnen der Pflege in Schutzausrüstung betreut einen Corona-Patienten am Universitätsklinikum Essen.
Mitarbeiterinnen der Pflege in Schutzausrüstung betreut einen Corona-Patienten am Universitätsklinikum Essen.APA/dpa/Fabian Strauch
  • Drucken

Trotz des bald beginnenden Quasi-Lockdowns warnen Ärztevertreter: "In 14 Tagen haben wir die schweren Krankheitsfälle." Und immer häufiger infiziere sich Personal.

Mediziner befürchten trotz Quasi-Lockdown in wenigen Wochen eine dramatische Lage auf Deutschlands Intensivstationen. "Es ist jetzt schon nachweislich schlimmer als im Frühjahr", sagt Uwe Janssens, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI). "In 14 Tagen haben wir die schweren Krankheitsfälle und unsere großen Zentren kommen unter Maximalbelastung."

Ähnlich wie in Österreich sei das Hauptproblem dabei das Personal, das sich durch die stark steigenden Infektionszahlen deutlich häufiger anstecke als im März oder April. "Wir haben mehr Betten und mehr Beatmungsgeräte als zu Beginn der Pandemie. Aber wir haben nicht eine müde Maus mehr beim Personal", sagte Janssens. Von den Infizierten müssten etwa fünf Prozent im Krankenhaus behandelt werden, zwei Prozent auf der Intensivstation, ergänzte Stefan Kluge, Leiter der Intensivmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Über 70-Jährige hätten ein Todesrisiko von über 50 Prozent. Ein Blick auf die derzeit nur langsam steigende Zahl der Todesopfer tauge nicht zur Einschätzung der aktuellen Lage. "Wir müssen auf die Zahl der Intensivpatienten schauen. Dann wissen wir, wohin die Reise geht", sagte Kluge.

Pandemie wird mit Lockdown nicht enden

Der Quasi-Lockdown in Deutschland wird jedenfalls nicht das Ende der Pandemie bringen, aber die Zeit der Corona-Einschränkungen im November sollte nach Ansicht des Bremer Epidemiologen Hajo Zeeb genutzt werden, um neue Konzepte zum Umgang zu erarbeiten. "Wir sind noch früh im Herbst", sagte der Professor am Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS) in Bremen.

Es sei gut, dass die neuen Maßnahmen auf einen Monat begrenzt seien. Aber selbst wenn es gelinge, den Anstieg der Infektionen zu bremsen, sei die Pandemie nicht vorbei. Sie laufe auf niedrigerem Niveau weiter mit dem Risiko, dass die Zahlen erneut steigen. "Wir sollten nicht in eine Situation kommen, dass wir alle vier Wochen entscheiden müssen, ob wir wieder einen Lockdown brauchen", sagte Zeeb am Donnerstag.

Zustimmung für offene Schulen

Das tags zuvor von Bund und Ländern vereinbarte Maßnahmenbündel sei insgesamt ausgewogen. "Wir werden wahrscheinlich sehen, dass die Wirksamkeit im Paket liegt", sagte Zeeb. "Das Leben soll nicht völlig zum Erliegen gebracht werden." Schulen und Kitas offen zu lassen halte er für vernünftig. Sie seien nach bisherigen Erkenntnissen keine Treiber von Infektionen. Trotzdem müsse man den Bereich im Blick behalten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Menschen in Deutschland zur Einheit und zum Verzicht auf persönliche Kontakte im Kampf gegen das Corona-Virus aufgerufen. In einer Regierungserklärung bezeichnete sie zugleich die von Bund und Ländern für den Monat November getroffenen Einscheidungen wie die Schließung von Gastronomie und Freizeiteinrichtungen als "geeignet, erforderlich und verhältnismäßig". Sie könne die Frustration, "ja Verzweiflung" der Betroffenen verstehen, sagte Merkel am Donnerstag im Bundestag. Aber oberstes Ziel sei nun, die Kontakte der Menschen um mindestens 75 Prozent zu reduzieren, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Dies sei nötig, weil die Lage sonst außer Kontrolle geraten könne. Zu warten, bis alle Intensivbetten belegt seien, sei falsch und gefährlich

(APA/dpa/Reuters)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Ministerpräsident Söder schärft die Maßnahmen für Bayern nach.
Coronavirus

Bayern verbietet Treffen in Privaträumen mit mehr als zehn Personen

Bayern verschärft seine Corona-Maßnahmen. Auch in Privaträumen dürfen sich nur Personen zweier Haushalte treffen - maximal zehn Personen. Beim Veranstaltungsverbot gibt es zwei Ausnahmen.
Angela Merkel hält eine Erklärung im Parlament ab.
Coronavirus

"Geeignet, erforderlich und verhältnismäßig": Merkel verteidigt den Lockdown

Die deutsche Bundeskanzlerin erklärte im deutschen Bundestag die Pläne der Regierung in der Coronakrise. Die AfD störte die Rede mehrmals mit lauten Zwischenrufen.
Ein Bild aus Frankfurt, wo ab Montag wie in ganz Deutschland neue Corona-Maßnahmen gelten.
Coronavirus

Deutschland prescht mit Lockdown vor

Europas größte Volkswirtschaft fährt das öffentliche Leben drastisch herunter. In Österreich schaut man genau nach Berlin – und arbeitet bereits an baldigen Maßnahmen. Frankreich hat bereits nachgezogen - und einen Lockdown ab Freitag angekündigt.
Demonstrationen am Wochenende in Rom am Piazze del Populo.
Coronavirus

Italiens Premier schließt härteren Lockdown vorerst aus

Freizeiteinrichtungen sind in Italien ohnehin schon geschlossen. Restaurants müssen um 18 Uhr schließen. In Italien sind die Demonstrationen gegen die Covid-Maßnahmen zuletzt massiv lauter geworden.
In einer Fernsehansprache kündigte Frankreichs Präsident neue Maßnahmen an.
Ausgangsbeschränkungen…

Auch Frankreich kündigt neuen Lockdown an

Die neuen Maßnahmen sollen ab Freitag - und bis Dezember - gelten. Präsident Macron spricht von einer zweiten Welle, „von der wir wissen, dass sie härter, tödlicher sein wird als die erste“.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.