Unterwegs

Tredegar Community Centre

Der neue Lockdown in England droht zu zerstören, was noch an Gemeinschaft übrig war.

Wenn der Engländer Gemeinschaft sucht, hat er nicht nur Pub, Shopping Centre und Fußballplatz zur Wahl. Ein dichtes Netz an Gemeinschaftszentren und anderen öffentlichen Einrichtungen überzog einst das Land. Lorraine Walsh, Leiterin des Tredegar Community Centre in East London, ist in ihrer Aufzählung kaum zu stoppen: „Montagabend kamen die alten Damen zum Bingo, Dienstagvormittag war Krabbelgruppe, Mittwoch traf sich eine somalisch-arabische Freundschaftsgruppe, Donnerstag? Jeden Tag war etwas los.“

Selbst den finanziellen Kahlschlag mehrerer Regierungen überstand man irgendwie. Corona könnte nun das Ende bedeuten. Im Lockdown Ende März musste das Gemeindezentrum zusperren. Im Sommer hoffte man auf einen Neuanfang. Nun hat der zweite Lockdown alle Hoffnungen zerstört. „Wer weiß, ob wir jemals zurückkommen werden“, meint Lorraine.

Speziell die ältere Bevölkerung leide: „Täglich bekomme ich Anrufe, ob wir nicht irgendwie aufmachen können.“ Auch wenn Freiwillige im Einsatz seien, um die Grundversorgung Bedürftiger zu sichern, sei das kein Ersatz: „Es ist ein Unterschied, ob mir jemand eine Mahlzeit vor die Türe stellt oder ob wir beim Tee beisammensitzen.“

Wer jetzt allein ist und krank, wird oft ins Pflegeheim abgeschoben. Nirgends sind die Covid-Sterberaten höher. Auch Lorraine musste in ihrem Gemeindezentrum damit traurige Erfahrung machen. Vier der etwa 25 Damen der montäglichen Bingo-Runde sind seit März verstorben. „Ich bin seit 2006 hier“, sagt sie. „Aber ich war noch nie auf so vielen Begräbnissen.“ ⫻

aussenpolitik@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.11.2020)

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